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»Fulminanter Sieg« von Claudia Pechstein

Münchner Landgericht spricht der Eisschnellläuferin zwar keinen Schadenersatz zu, bringt aber das weltweite Sportrechtssystem ins Wanken

  • Emanuel Reinke, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Geld hat Claudia Pechstein vom Gericht nicht zugesprochen bekommen. Gewonnen hat sie trotzdem: Das Urteil stellt das System der Sportgerichtsbarkeit infrage.

Claudia Pechstein hat mit einer »Revolution« das weltweite Sportrechtssystem ins Wanken gebracht, im millionenschweren Schadenersatzprozess jedoch eine Niederlage erlitten. Das Landgericht München I erklärte die Schiedsklausel der Athletenvereinbarung zwischen Verbänden und Athleten im Falle der Eisschnelllauf-Olympiasiegerin am Mittwoch für unwirksam - die Autorität des Internationalen Sportgerichtshofs CAS ist stark angekratzt.

»Das ist ein Erfolg, vielleicht gar eine Revolution für die gesamte Sportwelt«, sagte Pechsteins Anwalt Thomas Summerer. Athleten könnten nicht weiter gezwungen werden, eine Klausel zu unterschreiben, die es ihnen verbietet, vor ein staatliches Gericht zu ziehen. Pechstein habe »einen fulminanten Sieg errungen für alle Athleten in Deutschland«. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sieht seine Praxis der Vereinbarungen mit Sportlern nicht betroffen. »Die Aussagen des Gerichtes beziehen sich nicht auf die Athletenvereinbarung, die Claudia Pechstein mit dem DOSB vor den Olympischen Spielen geschlossen hat, sondern auf die Athletenvereinbarung mit dem nationalen und internationalen Fachverband«, sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper.

Das Gericht begründete die Entscheidung im Fall Pechstein damit, dass die Vereinbarung vonseiten der 42-Jährigen nicht freiwillig getroffen worden sei. Die Beklagten, die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) sowie der Eislaufweltverband ISU, hätten eine Monopolstellung inne gehabt. Pechstein habe bei der Unterzeichnung keine Wahl gehabt, denn ohne wäre sie nicht zu Wettkämpfen zugelassen worden und in ihrer Berufsausübung behindert gewesen.

Zum Ärger des Pechstein-Lagers prüfte die 37. Zivilkammer des Landgerichts jedoch nicht, ob Pechsteins auf Indizien beruhende Dopingsperre rechtswidrig gewesen ist. Das Gericht sah sich an den Schiedsspruch des CAS gebunden. »Das halten wir für falsch. Einerseits fühlt man sich gebunden an ein Schweizer Gericht, andererseits aber sagt man, die Schiedsklausel ist unwirksam. Das passt nicht zusammen«, sagte Summerer. Deshalb wird Pechstein gegen die abgewiesene Schadenersatzklage Berufung vor dem Oberlandesgericht München einlegen. Sie hatte unter anderem Schadenersatz in Höhe von rund 3,5 Millionen Euro sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 400 000 Euro gefordert.

Mit Blick auf die Athletenvereinbarungen hat das Urteil Signalwirkung. Sportler könnten mit Berufung auf dieses Urteil eine Unwirksamkeit entsprechender Verträge geltend machen. ISU-Rechtsbeistand Dirk-Reiner Martens, auch Mitglied des Internationalen Sportgerichtshofes, sieht den CAS »massiv angegriffen«. »Man muss sich Gedanken machen. Letztlich gibt es zur Sportgerichtsbarkeit keine Alternative«, sagte er. Die Entscheidung sei sehr bemerkenswert und stehe im Widerspruch zu vielen bisherigen Urteilen. Dem Athleten sei mit dem Gang über ein Zivilgericht und mehrere Instanzen nicht geholfen. Summerer bekräftigte derweil die Notwendigkeit von Reformen: »Der Sport muss damit leben, dass es möglicherweise zwei Gerichtsbarkeiten gibt. Einerseits Schiedsgerichte, andererseits staatliche Gerichte. Das ist der Preis des Rechtsstaates.«

Der renommierte Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner sieht die Freiheit des Athleten gestärkt. »Es ist sicherlich ein ganz bedeutendes sportrechtliches Urteil«, sagte er, es sei ein »Zurechtstutzen der Monopolmacht, die die Sportverbände so ausüben«. Rodel-Doppelolympiasieger Felix Loch kommentierte die Münchner Entscheidung nüchtern. »Sobald man sich für den Leistungssport entscheidet, gibt man viele Rechte ab. Das gehört einfach dazu«, sagte Loch. Ihm sei bei der Unterzeichnung klar gewesen, worauf er verzichte. SID

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