Stromfresser Atomkraftwerke
Die neun deutschen Kernkraftwerke verbrauchen zusammen mehr Strom als Bremen
Pumpen, Ventile, Generatoren, die Kühl- und Heiztechnik sowie Anlagen der Leittechnik - alle Kraftwerke, die Strom erzeugen, verbrauchen auch selbst elektrische Energie. Das gilt grundsätzlich für alle thermischen Kraftwerke, in denen erhitzter Wasserdampf Turbinen antreibt. Besonders hoch ist dieser Anteil in Atomkraftwerken. Sie verbrauchen je nach Reaktortyp und -größe zwischen fünf und zwölf Prozent der produzierten Energie für den Eigenbedarf, vor allem für den Antrieb der großen Kühlpumpen.
Bei Kohlekraftwerken liegt dieser Wert immerhin noch bei vier bis sechs Prozent, bei Ölkraftwerken zwischen drei und fünf Prozent. Wasserkraftwerke und Gasturbinenkraftwerke weisen einen vergleichsweise geringen Eigenbedarf von rund einem Prozent auf. Noch etwas niedriger liegt der Eigenbedarf bei Windkraftanlagen an Land, wo der Eigenbedarf nur etwa 0,35 bis 0,5 Prozent der produzierten elektrischen Energie ausmacht.
In Deutschland benötigen die neun noch betriebenen Atomreaktoren zusammen mehr Strom als das Bundesland Bremen. Das hat das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) - eine Art Think-Tank der Erneuerbare-Energien-Branche - jetzt errechnet. Anders ausgedrückt: Mehr als die halbe Jahresstromproduktion eines großen AKW wie zum Beispiel Philippsburg wird nur dafür benötigt, den eigenen Betriebsverbrauch aller deutschen AKW zu sichern.
Im Jahr 2013 haben die Atomkraftwerke dem IWR zufolge rund 97,3 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom erzeugt. 2012 waren es etwa 99,5 Milliarden kWh. Netto stehen davon aber nur 92,1 Milliarden für den Verbrauch - oder den Export - zur Verfügung.
Der AKW-Betriebsstrom in Höhe von rund 5,2 Milliarden kWh für das Jahr 2013 ist also höher als der gesamte Jahresstromverbrauch des Landes Bremen - 2011 belief sich der auf 4,8 Milliarden kWh. Das Bundesland besteht aus den Städten Bremen und Bremerhaven und hatte in demselben Jahr etwas mehr als 652 000 Einwohner.
Teilweise haben die AKW-Betreiber die Eigenverbrauchquote aber auch künstlich gesteigert. So drosselte beispielsweise der Konzern EnBW im Jahr 2010 die Leistung des AKW Neckarwestheim 1 auf 25 Prozent, um die vom damaligen Atomausstiegsgesetz festgelegte Reststrommenge nicht zu eilig zu produzieren. Das Bundesamt für Strahlenschutz ermittelte für den März 2010 eine Nettostromerzeugung von 155,2 Millionen Kilowattstunden. »Brutto« produzierte Neckarwestheim aber 191 Millionen Kilowattstunden Strom. Die Differenz verbrauchte der Meiler für sich selbst.
»Fast 20 Prozent der pro Monat produzierte Strommenge muss dafür herhalten, den Altreaktor am Leben zu erhalten«, empörte sich seinerzeit der Grünen-Politiker Franz Untersteller, der inzwischen zum baden-württembergischen Umweltminister aufgestiegen ist. Untersteller machte dazu eine Rechnung auf: Lege man den Jahresverbrauch einer vierköpfigen Familie von rund 4000 Kilowattstunden zu Grunde, entspreche der Eigenbedarf des Meilers Neckarwestheim 1 dem Stromverbrauch von 100 000 Vier-Personen-Haushalten. Gegenüber dieser Stromerzeugungspraxis sei das DDR-Braunkohlekraftwerk »Schwarze Pumpe« mit Blick auf die Energieeffizienz »geradezu ein Musterbetrieb« gewesen, lästerte Untersteller.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.