Martin Schulz ist SPE-Wahlspitze
Europas Sozialdemokraten wollen nächsten EU-Kommissionsvorsitzenden stellen
Martin Schulz wurde am Wochenende in Rom auf dem Kongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) mit großer Mehrheit zum Kandidaten für das Amt des EU-Ratsvorsitzenden gewählt. Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen nämlich bei der Nominierung des nächsten Kommissionspräsidenten das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen. Bisher allerdings rangiert die SPE im EU-Parlament mit 195 Sitzen noch weit hinter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) mit 275 Abgeordneten.
In den Wahlkampf gehen die Sozialdemokraten mit einem Zehn-Punkte-Programm. An erster Stelle steht die Arbeit, die Arbeit für junge Menschen und Frauen, wie Schulz unterstrich. Allgemein gehe es darum, Europa zu verändern, nachdem die Konservativen in den letzten Jahren nur »Angst und Sparmaßnahmen« gebracht haben.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Steuergerechtigkeit: »Steuerhinterziehung ist ein Verbrechen«, sagte der SPE-Spitzenkandidat. »Die multinationalen Gesellschaften machen milliardenschwere Profite und zahlen keine Steuern. Das ist ein Skandal. Schluss mit den Steueroasen! Steuern müssen da gezahlt werden, wo der Wert geschaffen wird«. Außerdem müsse man die Schere zwischen Arm und Reich verringern.
Schulz wurde mit 368 Stimmen bei zwei Gegenstimmen und 44 Enthaltungen gekürt. Mit Martin Schulz, so erklärte die italienische Außenministerin Federica Mogherini, habe die SPE ein gemeinsames Programm, um die EU-Politik zu verändern. »Die Demokratische Partei wird die Anstrengungen unterstützen, um Italien und Europa zu erneuern.«
Beschlossen wurde auf dem Parteitag auch, dass die Demokratische Partei Italiens (PD), die bisher nur assoziiert war, jetzt vollwertiges Mitglied der SPE ist. Besonders aufmerksam wurde in Rom daher die »Antrittsrede« des neuen italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi verfolgt, der erklärte, dass die Mitgliedschaft in der europäischen Familie der Sozialdemokraten, Sozialisten und Demokraten eine Ehre für ihn sei. Der EU-Vorsitz, der am 1. Juli an Italien geht, müsse als Gelegenheit genutzt werden, »um über ein neues Europamodell zu diskutieren«. Für kommende Generationen müsse man erreichen, dass Europa »nicht als Problem, sondern als Lösung für Probleme« angesehen wird, als »ein Europa der Bürger und nicht der Bürokraten. Das ist unser Ziel.« Als größte Herausforderungen nannte Matteo Renzi allerdings Schule und Erziehung. »Italien muss seine Konten ausgleichen, und das nicht, weil Europa das von uns verlangt, sondern weil wir es unseren Kindern schuldig sind.«
Schulz ermutigte den neuen Ministerpräsidenten Italiens: »Unsere italienischen Freunde«, so sagte er, »tun alles, damit Italien ein stärkeres und gerechteres Land wird. Der Reformplan von Matteo Renzi ist mutig und wird Italien Hoffnung machen und eine Zukunft geben.«
Am Rande des Kongresses meldete sich Nichi Vendola, Vorsitzender der italienischen Linkspartei SEL (Linke, Ökologie und Freiheit), zu Wort: »Für mich ist Martin Schulz eine der wichtigsten politischen Persönlichkeiten in Europa.« Er werde bei den Wahlen die linke Liste »Das andere Europa« unterstützen, deren Nummer 1 der griechische SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras ist, wolle sich aber für »ein Bündnis mit Martin Schulz« einsetzen. »Ich befinde mich irgendwo zwischen Tsipras und Schulz«, erklärte Vendola, den eine enge Freundschaft mit dem SPD-Politiker verbindet. »Und ich bin davon überzeugt, dass die Sozialdemokratie die Anregungen von Alexis Tsipras braucht. Die Linke muss Europa aus dem Albtraum der Sparmaßnahmen herausführen und die fürchterliche Umklammerung überwinden, die in der gesamten EU von den Regierungen mit großen Koalitionen ausgeübt wird.«
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