Harting scheitert im Prestigeduell
Gelungene Premiere mit dem erstem ISTAF-Hallenleichtathletik-Meeting in Berlin seit 1968
Es war eine Premiere nach 46 Jahren, die den Organisatoren des Internationalen Stadionfestes (ISTAF) viel Mut abverlangte. Nachdem es in den Jahren von 1938 bis 1968 fünf ISTAF-Leichtathletikmeetings in der inzwischen abgerissenen Berliner Deutschlandhalle gegeben hatte, wagten sie nach so langer Pause wieder den Schritt unters Hallendach.
»Die größte Herausforderung war logistischer Art«, schilderte Meetingdirektor Martin Seeber. »Denn noch am Vorabend standen in der Arena die Eisbären auf dem Eis. Erst in der Nacht ab 4 Uhr konnten wir mit dem Umbau beginnen. Maximal zwölf Stunden hatten wir Zeit, um die sechs blauen Laufbahnen im Innenraum zu verlegen und die Anlagen für die Kugelstoßer und Stabhochspringer aufzubauen. Hinzu kam später mitten in der Veranstaltung der Umbau für das Diskuswerfen, das üblicherweise nicht in der Halle ausgetragen wird und wofür eigens Netze zum Schutz der Zuschauer installiert wurden. Und alles musste ab Mitternacht wieder abgebaut werden, weil am Sonntagnachmittag die Eisbären ihr nächstes DEL-Heimspiel bestritten.«
Der Mut für das rund 450 000 Euro teure Meeting wurde belohnt - mit toller Stimmung, tollen Leistungen und toller Show. Die Fans auf den Rängen waren genauso begeistert wie die 55 Athleten aus 24 Ländern, die sich vor dieser Kulisse beflügelt fühlten. »So etwas habe ich noch nicht erlebt. Unglaublich. Die Fans trieben mich ins Ziel«, jubelte die australische Hürden-Olympiasiegerin Sally Pearson, die in dieser Saison noch keinen einzigen Hallenwettkampf bestritten und deshalb die Organisatoren gebeten hatte, Vorläufe über die 60 m Hürden auszuschreiben.
Sie siegte dabei mit neuer Jahresweltbestzeit von 7,79 s und war auch im Finale mit 7,80 s nicht zu schlagen. »Nun kann ich zuversichtlich zur Hallen-WM nächstes Wochenende in Sopot reisen«, meinte die 27-Jährige.
Auch die vier deutschen Sieger waren mit ihrem Hallenauftritt zufrieden. Der zweifache Kugelstoßweltmeister David Storl gewann mit 21,20 m im ersten und einzig gültigen Versuch, wobei er sich beim vierten Stoß das Knie leicht verdrehte. »Die Atmosphäre in der Halle war einzigartig«, schwärmte der Chemnitzer, der mit seinem Sieg - nur 13 Zentimeter unter seiner Saisonbestweite - auch im sechsten Hallenwettkampf ungeschlagen blieb und als Topfavorit zur Hallen-WM fährt.
Auch die sechsfache deutsche Hallenmeisterin und einstige Freiluft-Europameisterin Verena Sailer nannte die Stimmung »geil, einfach geil« und strahlte ob ihrer 60-m-Sprintzeit von 7,12 s, mit der die Mannheimerin ihre persönliche Bestleistung egalisierte: »Ich bin von diesem Event hellauf begeistert. Die Leichtathletik braucht so etwas.«
Wie Sailer kann auch Stabhochspringer Malte Mohr nach seinem Flug über 5,90 m mit breiter Brust zur Hallen-WM fahren. Der 27-jährige Wattenscheider, der noch nie in seiner Karriere so hoch gesprungen war, versuchte sich am neuen deutschen Hallenrekord von 6,01 m, scheiterte aber in allen drei Versuchen - wie schon vor einer Woche bei den deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig.
Emotionaler Schlusspunkt war der Diskuswurf, angekündigt mit dem Prestigeduell des dreifachen Weltmeisters und Olympiasiegers Robert Harting gegen seinen polnischen Dauerrivalen Piotr Malachowski. Doch wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte.
Der Magdeburger Martin Wiering blieb mit 64,82 m unübertroffen. Zwar schob sich der aus dem Trainingslager in Portugal angereiste Pole mit 63,73 m im vierten Versuch noch auf den zweiten Platz, aber der Lokalmatador Harting musste sich mit 62,20 m als Vierter geschlagen geben. »Ich bin in der Vorbereitung auf die Freiluftsaison und komme direkt aus dem Trainingslager in Kienbaum. Dort habe ich letzte Woche viel Kraft trainiert und rund 45 Tonnen gestemmt. Dadurch fehlte mir heute die nötige Frische«, meinte Harting und tröstete sich: Der Diskuswurf steht nicht auf dem Programm der Hallen-WM. »Bis zum Sommer bin ich wieder voll da«, versprach er.
Der deutsche Vizemeister Wiering war hingegen happy: »Es hat wahnsinnig Spaß gemacht vor dieser Kulisse. Ich wollte so um die 64 Meter werfen, obwohl ich vier Tage lang krank war. Aber vielleicht hat mir gerade das so gut getan.«
Einig waren sich alle in dem Wunsch: Nächstes Jahr soll es eine Neuauflage ISTAF Indoor geben! Der Veranstalter will darüber in den nächsten acht Wochen entscheiden.
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