Traumjobs

Es gibt Leute, die sind um ihren Job zu beneiden, zumindest scheinbar. Der OK-Chef zum Beispiel: Erst eine Weltreise in 32 Länder, dann 48 WM-Spiele - überall schüttelt Franz Beckenbauer, das Gesicht dieser WM, Hände. Und nebebei heiratet er noch mal eben. Ein Traumjob, aber hart. Fast so oft wie Beckenbauer trifft man auch diesen dicken japanischen Journalisten im blauen Trikot. Mit stets stoischer Miene sitzt er im Presseblock und schaut das Spiel an. Ohne Regung, ohne zur Seite zu schauen. Wo andere hektisch ins Laptop tippen oder emsig Notizblöcke vollkritzeln, bleibt er gelassen. Er hat Zeit. Sein einziges Arbeitswerkzeug liegt vor ihm - sein Handy - und seine Arbeitszeit beginnt erst mit dem Abpfiff. Er arbeitet nur in der Mixedzone - an jenem mit Gittern abgesperrter Schlängelweg, auf dem alle Spieler nach dem Spiel an der lauernden Presse vorbei müssen, wenn sie den Mannschaftsbus erreichen wollen. Dort, in der gemischten Zone, trägt die Weltpresse entscheidende Gefechte aus. Die Brasilianer beispielsweise stürzen sich auf jeden ihrer Stars, der an dem Weg stehen bleibt. Nach einigen heftigen Umarmungen und Wangen-Tätscheleien für den Sieg klappen zwei Dutzend Reporter ihr Handy auf und übertragen das geschrieene Interview direkt in die heimische Rundfunkstation. So einfach umgeht man fehlende Übertragungsrechte. Und herzt dabei Ronaldo. Aber ein Knochenjob. Ganz anders unser Japaner. Er stürzt sich ins Gedränge, vor bis an das Gitter, dreht den Interviewten den Rücken zu und richtet sein Fotohandy aus: Nein, nicht auf die Stars, sondern auf sich selbst: Ich und im Hintergrund David Beckham, ich und hinten Ronaldinho, ich und Michael Ballack - und wenn alles getan ist, sendet er die Bilder auf die heimische Website. Thats all - erklärt er im Vorbeigehen, den Rest mache die Redaktion daheim. »Die WM so zu sehen, ist ein Traumjob, oder?« fragt er lächelnd. Ich zögere, aber ich verneine.
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