BIG SPENDER - Analyse der Parteienfinanzierung seit 1990

  • Jürgen Reents
  • Lesedauer: 1 Min.
Jüngst legten die Parteien ihre Rechenschaftsberichte für das Jahr 2012 vor. »nd« hat aus diesem Anlass untersucht, wie sich deren Einnahmen seit dem »Einheitsjahr« 1990 entwickelt haben.
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9.500.000.000 Euro kassierten die im Bundestag vertretenen Parteien zwischen 1990 und 2012

Teil 1: Durch Spenden angetrieben Gebilde

Im parlamentarischen System haben Parteien eine prägende Stellung. Damit begründet sich auch, dass der Staat sie teilfinanziert. Diese Subvention ist größer, als die offiziellen Zahlen zeigen.

»Ist unsere Demokratie zu teuer?« Diese provokativ formulierte Frage stellte vor zehn Jahren eine Studie des Oldenburger Politologen Karl-Heinz Naßmacher. Ihr Ergebnis war: Bei den Kosten des Parteienwettbewerbs liegt Deutschland im internationalen Vergleich in einem Mittelfeld. Die Parteihaushalte kosteten den Steuerzahler nur etwa ein Viertel dessen, was etwa in Japan, Österreich und Israel üblich sei, andererseits etwa doppelt so viel wie in Großbritannien, Niederlande und Australien. Was die Parteien für Wahlkämpfe und sonstige Tätigkeiten ausgeben, müssen sie zuvor einnehmen, und auch hier bescheinigte das Mitglied der vom Bundespräsidenten einberufenen Parteienfinanzierungskommission: Unbedenklich, notwendig und angemessen. Ist das so?

Wegen der prägenden Stellung der Parteien im parlamentarischen System unseres Landes werden sie zu einem erheblichen Teil staatlich finanziert. Wie viel sie aus Steuermitteln erhalten, hängt von ihrer »Verwurzelung in der Gesellschaft« ab. Konkret bemessen sich die Zuschüsse nach ihren Wahlergebnissen zu Landtagen, dem Bundestag und dem Europäischen Parlament (70 Cent pro Stimme plus - als Chancenausgleich für kleinere Parteien - zusätzlich 15 Cent für die ersten vier Millionen Stimmen) sowie einer Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen und privaten Spenden, die jährlich 3300 Euro nicht übersteigen (38 Cent für jeden aus diesen Quellen eingenommen Euro).

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Der Staat beteiligt sich darüber hinaus aber auch indirekt an der Parteienfinanzierung. So regelt das Einkommensteuergesetz (EStG) eigens in einem § 34g, dass Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien in besonderer Weise steuerbegünstigt sind: Zahlt oder spendet jemand jährlich bis zu 1650 Euro (monatlich: 137,50 Euro) an eine Partei, so kann er sich die Hälfte vom Finanzamt zurückerstatten lassen. Das geht über andere Steuerbegünstigungen - etwa bei Spenden an karitative Vereine - hinaus. Diese können nach § 10b EStG zwar als Sonderausgaben vom zu versteuernden Einkommen, nicht aber direkt von der Steuerlast abgezogen werden. Da die Beiträge von Parteimitgliedern zumeist erheblich unter der genannten Obergrenze liegen, subventioniert der Staat diese faktisch bis zur Hälfte über Steuererstattungen - so sie beim Jahresausgleich geltend gemacht werden.

Ähnliches gilt für Parteispenden: Hier sind die Subventionen über Steuerminderungen allerdings deutlich geringer. Parteispenden von juristischen Personen (Unternehmen, Verbänden u.a.) werden nicht begünstigt, sie dürfen lediglich - bis zu einer bestimmten Grenze - aus der Gewinnbilanz herausgerechnet werden. Zudem führen Spenden von Privatpersonen, die die Obergrenze von 1650 Euro jährlich (bei Familien das Doppelte) übersteigen, zu weniger Steuerersparnis. Bei Privatspenden wird diese Obergrenze naturgemäß häufiger überschritten als bei Mitgliedsbeiträgen.

Rechnet man jedoch diese nirgendwo dokumentierten Rückflüsse mit ein, so kann geschätzt werden: Der Staat hat die Parteien seit 1990 real eher mit fünf statt den ausgewiesenen drei Milliarden Euro alimentiert.

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Fünf Milliarden, das ist ein stolzer Betrag - und er verleitet zu allerlei Vergleichen, etwa diesem: Für das Geld, mit dem in Schönefeld (angeblich) ein Großflughafen gebaut wird, könnte man mehr als 20 Jahre lang ein komplettes Parteiensystem staatlich aushalten. Dieser Vergleich lässt das Bauübel von Berlin-Brandenburg noch größer, das unseres Parteiensystems dagegen gering erscheinen. Zumal: Die staatliche Parteienfinanzierung stößt vielleicht manchem in ihrem Ausmaß und etlichen Facetten übel auf, sie ist es jedoch nicht im Grundsatz.

Denn Kritik daran, was die Parteien den Steuerzahler kosten, muss sich zwangsläufig auch damit beschäftigen, was die Alternativen, also deren andere Einnahmequellen sind. Die staatlichen Zuschüsse an die Parteien sollen nämlich zugleich deren Begehrlichkeit nach Großspenden dämpfen. Daher wirken sich die steuermindernden Anreize auch nur positiv auf Kleinspenden aus. Es ist jedoch nicht bekannt, dass eine Partei mit Hinweis auf sprudelnde staatliche Quellen jemals zu einem Großspender gesagt hat: Nein danke, ich habe schon. Lediglich die LINKE lehnt explizit Spenden von Unternehmen und wirtschaftlichen Verbänden ab - wurde bislang aber auch noch nicht in Versuchung geführt.

Im Kern bleibt: Die Parteien finanzieren sich stärker von außen als aus ihrem eigenen Betrieb heraus. Sie sind in erster Linie durch Spenden angetriebene Gebilde. Denn auch die staatlichen Mittel stellen eine Art Spende dar - eine »Zwangsspende«, die die Parteien selbst, in Gestalt ihrer gesetzgebenden Fraktionen, den Steuerzahlern, also der Allgemeinheit aufbürden.

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Im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit stehen jedoch, nicht zu Unrecht, vor allem jene Parteieinkünfte, die nur als eine Art Nebenquelle erscheinen: die Spenden von Privatpersonen sowie Firmen und Verbänden. Etliche Spendenskandale haben die bundesdeutsche Parteiengeschichte in zurückliegenden Jahren begleitet, die bekanntesten sind mit den Namen Flick, Kohl, Lambsdorff, Möllemann und großen Unbekannten verbunden. Und immer wieder warfen diese Fragen auf: In welchem Umfang beeinflussen Spenden politische Beschlüsse? Wo lauern Bestechung und Vorteilsnahmen? Wie richten Parteien ihre Politik an Spenderinteressen aus, als dankbare Gefälligkeit oder in vorauseilendem Gehorsam?

Diese Fragen begrenzen sich nicht auf die bekannten Fälle, in denen gesetzwidriges Handeln letztlich nachweisbar war, sie stehen als Schatten über allen Spenden, die aus der Wirtschaft heraus an die Parteien fließen - als Privatspenden von Unternehmern und Unternehmerinnen, vor allem aber als Firmenspende. Nur solche Spenden, die jährlich einen Betrag von 10 000 Euro (vor 2002: 20 000 DM) überschreiten, müssen die Parteien in ihren Rechenschaftsberichten namentlich ausweisen, Einzelspenden oberhalb von 50 000 Euro auch unmittelbar nach Eingang dem Bundestagspräsidenten bekannt geben, der sie zu veröffentlichen hat. Es bleiben erhebliche Grauzonen.

Teil 2: Big Spender - Ein dichtes Geflecht

Jährlich müssen die Parteien alle Spender nennen, von denen sie mehr als 10 000 Euro erhalten haben. Die letzte Rechenschaft legten sie für das Jahr 2012 ab. Hinter der Transparenz bleibt aber im Dunkeln, dass manche Namen eng miteinander verflochten sind. Der heutige Teil 2 unserer nd- Serie über Parteispenden zeigt Beispiele.

Wer die Finanzen einer Partei in einem Kalenderjahr mit mehr als 10 000 Euro aufbessert, bleibt nicht anonym. Doch die unsortiert aufgelisteten Namen dieser Großspender offenbaren nur einen Teil der Wahrheit.

Rund 250 Millionen Euro haben die im Bundestag vertretenen Parteien seit dem Jahr der Deutschen Einheit von Großspendern erhalten. Zusammengetragen haben diese Summe rund 2500 Privatpersonen und 1000 Firmen und Verbände. Sie finden sich namentlich ausgewiesen in den jährlichen Rechenschaftsberichten der Parteien von 1990 bis 2012, dem derzeit letzten ihrer Berichte.

Zu den Privatpersonen zählen dabei auch Mandatsträger, die ihrer jeweiligen Partei gelegentlich oder häufig über ihren regelmäßigen Mitgliedsbeitrag hinaus etwas spenden. Jedenfalls ist dies bei der SPD, den Grünen und der LINKEN so: Die Sozialdemokratie schöpft knapp die Hälfte, die Ökologiepartei etwa 85 Prozent, die Linkspartei über 90 Prozent ihrer größeren Spenden aus der eigenen Funktionärsschicht.

Bei der CDU/CSU und der FDP ist es genau gegenteilig. Hier kommen die allermeisten Spenden oberhalb von 10 000 Euro von Privatpersonen außerhalb des eigenen Parteibetriebs und von Firmen und Verbänden: bei der FDP zu rund 85 Prozent, bei den Unionsparteien zu über 90 Prozent. Gewissermaßen sind die Konservativen und die Liberalen also weitgehend »fremdfinanziert«. Politisch wäre dieser Ausdruck allerdings fehl am Platz: Die Zahlen unterstreichen nur, dass es sich bei ihnen um Agenturen des großen Geldes handelt.

Die gesetzliche Pflicht, über die Herkunft größerer Spenden Rechenschaft abzulegen, hat die Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik zwar weitgehend transparent gemacht, doch ein Schleier ist geblieben. Denn Großspenden sind nicht gleich Großspenden, sie reichen von fünfstelligen Beträgen bis zu Hunderttausenden und gar Millionen Euro, die einzelne Personen und Firmen über die Jahre an die Parteien überwiesen haben. Und einige der Großspender sind eng miteinander verflochten.

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9.500.000.000 Euro kassierten die im Bundestag vertretenen Parteien zwischen 1990 und 2012

Das herausragendste Beispiel dafür ist das Quandt-Imperium, aus dem seit dem Einheitsjahr über 12 Millionen Euro in Parteikassen flossen. Damit steht dieses Imperium an der Spitze der »politischen Landschaftspflege«. Sein Kern sind Johanna Quandt und ihre Kinder Stefan Quandt und Susanne Klatten. Sie trugen privat allein 3,4 Millionen Euro zu dieser Summe bei. Das mögen für sie persönlich »peanuts« sein (das »manager-magazin« schätzte ihr gemeinsames Vermögen für 2012 auf 19 Milliarden Euro), für die Empfänger ist es indes mehr als ein warmer Regen. Mit knapp der Hälfte des Aktienbesitzes von BMW ist die Quandt-Familie zugleich orientierungsgebend für die Geschäftspolitik dieses Automobilkonzerns, mithin auch für dessen Parteispenden im Umfang von 6,3 Millionen Euro seit 1990. Eigentümer bzw. Teilhaber sind Mitglieder der Quandt-Familie zudem bei den Firmen Altana und Carbon (Susanne Klatten), Delton (Stefan Quandt) und - bis 2011 - Altira (Sylvia Quandt), allesamt ebenfalls Parteispender. Man kann sagen: Die Quandt-Familie gibt ihre Parteispenden von verschiedenen Schreibtischen aus in Auftrag. Die Gesamtverteilung der 12 Millionen Euro Spenden aus diesem Imperium sieht so aus: 85 Prozent erhielten CDU/CSU und FDP, 15 Prozent SPD und Grüne.

Eine noch heftigere Schlagseite ins Mitte-Rechts-Spektrum haben die Deutsche Bank und das Pohl-Imperium. Die Deutsche Bank, die die Parteispenden ihrer Gruppe fast ausschließlich aus eigenem Konto leistet, verteilte seit 1990 mehr als 8,5 Millionen Euro - zu knapp 92 Prozent an Union und FDP und zu rund acht Prozent an SPD und Grüne. Summiert sind hier wie in den anderen untersuchten Fällen nur jene Verflechtungen, die in den jeweiligen Spendenjahren tatsächlich bestanden. So ist z. B. bei der Gruppe der Deutschen Bank eine gute Million Euro des Bankhauses Sal. Oppenheim (ausschließlich an Union und FDP) nicht eingerechnet: Diese Summe floss bis 2008; von der Deutschen Bank geschluckt wurde die einst größte europäische Privatbank erst 2010.

Schließlich der Finanzmagnat und DVAG-Chef (Deutsche Vermögensberatung AG) Reinfried Pohl: Die von ihm kontrollierten Firmen und Verbände spendeten allesamt üppig, summiert 4,5 Millionen Euro. Der Verteilungsschlüssel hier: über 95 Prozent an Union und FDP, unter fünf Prozent an die SPD.

Die Grafik auf dieser Seite illustriert: Von den 250 Millionen Euro, die die Bundestagsparteien zwischen 1990 und 2012 von insgesamt 3 500 Einzahlern erhielten, stammen rund 50 Millionen - also jeder fünfte Euro - aus den acht Imperien Quandt, Daimler, Deutsche Bank, Pohl, Allianz, Finck, Banken-Duo Commerzbank und Dresdner Bank sowie Energie-Duo E.ON und RWE. Zusammengerechnet adressierten sie vier Fünftel ihrer Spenden an CDU/CSU und FDP, ein Fünftel an SPD und Grüne. Die LINKE (vormals PDS und WASG) erhielt keinen Euro.

Teil 1: Fotos: 123rf/Daria Karaulnik, tassel78, natika, Ufuk Zivana, Maxim Kazmin , fotolia/M. Schuppich, shockfactor.de / Grafiken: Michael Pickardt / Berechnungen: Jürgen Reents / Quellen: Jährliche Re- chenschaftsberichte der im Bundestag vertretenen Parteien von 1990 bis 2012. Alle DM- Beträge vor 2002 wurden zum Wechselkurs von 1 DM = 0,51129 EUR umgerechnet. Teil 2: Foto: 123RF/ Luca Lago, Grafik: Michael Pickardt / Berechnet aus den Rechenschaftsberichten der im Bundestag vertretenen Parteien von 1990 bis 2012. Alle DM-Beträge vor 2002 wurden zum Wechselkurs von 1 DM = 0,51129 EUR umgerechnet.

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