Auch in China bestens über »Ba-la-ke« im Bilde

Bei Pekinger Fußballfans wird die Nacht zum Tag - vor großen Leinwänden bei deutschem Bier

  • Anna Guhl, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Uhrzeit ist China in den Sommermonaten Deutschland um sechs Stunden voraus, und die letzten Spielübertragungen der Fußball-Weltmeisterschaft enden erst im frühen Morgengrauen. Doch das tut der Stimmung unter den chinesischen Fußballfans keinen Abbruch. Wer es nur irgendwie einrichten kann, macht die Nacht zum Tag und harrt bis zum letzten Abpfiff vor dem Bildschirm aus. Abend für Abend ist die Begeisterung an jeder Ecke der chinesischen Hauptstadt zu spüren. Die meisten Restaurant- und Barbesitzer haben seit langem mit großen Leinwänden und speziellen kulinarischen Angeboten vorgesorgt. Nicht nur dort, wo deutsche Küche angeboten wird, gibt es zum Fußball auch echtes deutsches Bier. Vor den großen Kaufhäusern in der Stadt versammeln sich Abend für Abend Hunderte von Pekingern, um einfach nur an der Stimmung teilzuhaben. In zahlreichen Straßen- und U-Bahnunterführungen der Stadt lachen überlebensgroß die Fußballstars dieser Welt von den Wänden. Zwar sind die chinesischen Kicker nicht dabei, doch auch China versinkt seit gut zwei Wochen im Fußballfieber. Spätestens seit die chinesische Fußballmannschaft bei der letzten WM 2002 bis in die Vorrunde und vor zwei Jahren im Asien-Cup sogar ins Endspiel gegen Japan kam, weiß der »moderne Chinese« in der Welt des Fußballs Bescheid und kann zumeist nur schwer verstehen, dass Deutsche während dieses Großereignisses überhaupt noch in der Stadt sind. Immerhin haben es gut 3000 chinesische Fans auch bis nach Deutschland geschafft, um die Spiele hautnah vor Ort mitzuerleben. Offensichtliche Wissenslücken bei der Aufzählung von Spielern oder der Aufstellung der deutschen Mannschaft werden dann nur noch mit einem Kopfschütteln registriert. Denn jeder gewöhnliche Taxifahrer, Friseur und selbst der Gemüseverkäufer von nebenan ist bestens informiert über »Ba-la-ke«, »La-mu«, »Po-er-di« und natürlich »Ke-lin-si-man«. Und der für chinesische Zungen kaum zu artikulierende Name Schweinsteiger wird einfach wörtlich genommen: »Xiao Zhu«-Schweinchen. Das zentrale chinesische Fernsehen überträgt jedes Spiel von der ersten bis zur letzten Minute und berichtet ausführlich über auch noch so kleine Details aller teilnehmenden Mannschaften. Jede Tageszeitung, die etwas auf sich hält, gibt seit Beginn der Fußball-WM mehrseitige Beilagen heraus, die nicht allein über Fußball, sondern auch von Land und Leuten in Deutschland berichten. Die Pekinger Morgenpresse ist besonders fix: Nur wenige Minuten nach Spielschluss in Deutschland ist sie mit den neuesten Spielergebnissen am Kiosk erhältlich. Während sich die einen ganz der Freude an der schönsten Nebensache der Welt hingeben, wird derweil auf Pekings Großbaustellen Tag und Nacht auf Hochtouren gearbeitet. Pekings Stadtväter denken bereits voraus an das eigene sportliche Großereignis - Olympia im Sommer 2008. Vieles läuft nach Plan: Spielstätten entstehen, und Trassen werden neu angelegt. Nur mit der Luftqualität klappt es bisher nicht so gut. Um die Sportbegeisterung ihrer Landsleute allerdings müssen sich Pekings Stadtväter wohl keine Sorgen machen.
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