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»Die Messungen sind manipuliert«

Publizist Fukumoto Masao über Fukushima, Säuglingssterblichkeit und die Medien in Japan

  • Lesedauer: 3 Min.
Der japanische Publizist Fukumoto Masao (57) arbeitete im DDR-Anlagenbau, und beschäftigt sich seit der Wende mit Atomkraftwerken. Sein aktuelles Buch behandelt die Verstrahlung Deutschlands nach der Tschernobyl-Katastrophe. Zum GAU in Fukushima hat er zuletzt einen Text in den »Blättern für deutsche und internationale Politik« veröffentlicht. Mit ihm sprach Ralf Hutter.

nd: Der Kraftwerksbetreiber Tepco hatte sehr schnell nach der Katastrophe von Fukushima ein sehr schlechtes Image. Wie beurteilen Sie heute, drei Jahre nach der Katas- trophe, wie Tepco mit ihr umgegangen ist?
Masao: Alles, was Tepco macht, ist verantwortungslos - für alle Menschen in Japan. Es werden immer wieder Informationen verheimlicht. Auch die Regierung veröffentlicht nicht alle Daten, die sie hat.

Welche meinen Sie?
Insbesondere Kontaminationen mit Radioaktivität. Die Messwerte von offiziellen Messpunkten sind immer niedriger, als man selbst misst. Vielleicht sind unter den Messpunkten Metallplatten zwischengeschoben, damit man niedrigere Messwerte erzielt.

Sie glauben, dass Tepco die Messung manipuliert?
Oder die Präfektur. Tepco spielt aber auch mit. Die Präfektur Fukushima will keine Abwanderung. Man möchte so schnell wie möglich wieder Normalität. Aber die jetzige Normalität ist künstlich.

Hat Premierminister Shinzo Abe gelogen, als er im Herbst 2013 vor dem Internationalen Olympischen Komitee bei der erfolgreichen Bewerbung Tokios um die Olympischen Spiele sagte, dass der Unfall keine gesundheitlichen Auswirkungen auf Tokio hat und auch in Zukunft nicht haben wird?
Das war nicht die Wahrheit. Er hat die Gefahr einfach verharmlost - ungeachtet der Tatsache, dass Japan noch sehr breit kontaminiert ist.

Sie haben selbst zu der Frage, wie sich die Kontamination auch außerhalb der Präfektur Fukushima ausgewirkt hat, Untersuchungen beauftragt. Was für Daten hatten Sie, und was ist das Ergebnis?
Ich habe die Daten zu Lebend- und Totgeburten sowie zur Säuglingssterblichkeit für alle von Strahlung betroffenen elf Präfekturen gesammelt und sie in Beziehung zu den gesamtjapanischen Zahlen gesetzt. Das Ergebnis ist: Die Frühsterblichkeit, also bis einschließlich des ersten Lebensjahres, war in diesen Präfekturen neun Monate nach der Katastrophe um über fünf Prozent angestiegen. In den vier mutmaßlich am stärksten belasteten Präfekturen stieg die Zahl der Totgeburten sogar um rund 13 Prozent an.

Sie leben und schreiben von Berlin aus. Wie geht der japanische Journalismus mit dem Thema um?
Die japanischen Medien tragen dazu bei, alles, was passiert ist, zu verharmlosen. Sie sind auf die Werbeeinnahmen der Industrie angewiesen. Als freier Journalist kann man nicht gut verdienen, wenn man gegen die Atomkraft argumentiert. Wissenschaftler, die die Atomkraft scharf kritisieren, haben keine Chance, Professorenstellen zu bekommen.

Ein ehemalige Gouverneur der Präfektur Fukushima hat kurz nach dem Unglück gesagt, Japan sei beim Thema Atomenergie »fast ein faschistisches Land«, weil die Eliten so zusammenhängen und es fast keine anderen Meinungen gibt. Selbst Beamte hätten Tatsachen vertuscht. Was halten Sie von dieser Einschätzung?
Eindeutig: Ja. Japan wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, anders als Deutschland, total zentralisiert. Auch die Wirtschaft. In Japan gibt es auch viele Mittelständler. Aber wenn man als Mittelstand überleben möchte, muss man sich an einen großen Konzern binden und darf von anderen keine Aufträge annehmen. Es gibt nur wenige Fraktionen in der Wirtschaft, und zu einer muss man gehören. Es existiert noch immer eine faschistische Struktur in Japan.

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