Der gedeckelte Bonus

Banken versuchen, neue EU-Regeln zu umgehen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 6 Min.
In der EU dürfen die Banker-Boni künftig nicht höher sein als das feste Grundgehalt. Einige Geldhäuser wollen sich nicht daran halten.

»Keine Gehaltsexzesse mehr«? Sechs Jahre nach Ausbruch der Bankenkrise ist in den Finanzzentren von den früheren Ankündigungen wenig übrig geblieben. Viele Banken schütten angesichts üppiger Gewinne längst wieder üppige Gehälter und Boni aus: Nach einer Umfrage des britischen Vergütungsspezialisten Emolument hat mehr als die Hälfte der Banker in London für das vergangene Jahr einen höheren Bonus erhalten als noch 2012. Und auch in Frankfurt am Main könnten die Co-Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, jeweils bis zu 9,85 Millionen Euro eingeheimst haben - die genauen Zahlen werden kommende Woche veröffentlicht. Im Regelfall begründen Finanzdienstleister solche Gehaltsexzesse damit, dass die wichtigen Banker ansonsten zur Konkurrenz überliefen.

Eher bescheiden kommt der Chef der Commerzbank daher: Bei einem Grundgehalt von 1,3 Millionen Euro verzichtet Martin Blessing angesichts des minimalen Konzerngewinns auf einen Bonus. Der auch intern umstrittene Spitzenmanager verteidigt aber die mehr als 300 Millionen Euro, die an 29 000 außertariflich bezahlte Beschäftigte fließen: Vor allem viele Privatkundenberater hätten Anspruch auf Zuschläge, weil die Zufriedenheit der Kunden in Umfragen gestiegen sei. Der Anteil des Bonus am Gehalt kann bei der Commerzbank bis zu 35 Prozent betragen.

Dem werden auch die neuen EU-Regeln keinen Riegel vorschieben. Danach dürfen die Prämien für Banker künftig nicht höher ausfallen als das feste Grundgehalt. Ein höherer Bonus (bis zum Doppelten des Gehalts) soll nur noch dann möglich sein, wenn drei Viertel der Aktionäre zustimmen. Die neuen Bonusregeln gelten erstmals für in diesem Jahr angelaufene Prämien, die dann Anfang 2015 ausgezahlt werden.

Die meisten großen deutschen Banken hinken bei der Anpassung ihrer Vergütungsstrukturen den Vorgaben hinterher, wie die Bundesfinanzaufsicht Bafin nach einer Kontrolle konstatierte. Und in London bereiten sich Institute wie Goldman Sachs oder Barclays laut Medienberichten »neuartige variable Zulagen« vor, um die Bonusbegrenzung zu unterlaufen.

Um den Banken dies zu erschweren, hat die EU-Kommission Anfang März die Standards nach den Vorgaben der Bankenaufsichtsbehörde EBA genauer definiert. Schlupflöcher bleiben dennoch: So planen Banken Zulagen, die monatlich statt jährlich ausgezahlt werden - dies ist im Gesetz nicht geregelt. Erhöht werden könnten auch die fixen Teile der Vergütung. Das Gesetz schreibt nämlich keine absolute Gehaltsobergrenze vor. Sowieso hat die EBA die Wirkung des Gesetzes aufgeweicht, indem sie den Kreis der Betroffenen enger definierte als ursprünglich geplant. Der Bonusdeckel soll nur für Beschäftige gelten, die »wirklichen Einfluss auf das Risikoprofil einer Bank« haben. Und das ist nur ein ganz kleiner Kreis.

Eigentlich wollte die Politik verhindern, dass Managergehälter und Durchschnittslöhne immer weiter auseinanderklaffen. In der Praxis hat sich aber nichts geändert.

Von Roland Bunzenthal

VW-Chef Martin Winterkorn ist erneut der Topverdiener unter den deutschen Managern. Für 2013 erhält er feste und variable Bezüge in Höhe von 15 Millionen Euro, 3,4 Prozent mehr als im Jahr davor. Der Gesamtvorstand des Autokonzerns steigerte seine Bezüge sogar um 13 Prozent. Dabei hatte VW im abgelaufenen Geschäftsjahr weniger umgesetzt und seinen Gewinn halbiert. Dass es für die Manager dennoch für einen höheren Bonus reichte, liegt daran, dass dafür nicht ein Jahr, sondern die letzten beiden Jahre als Messlatte dienen.

Bislang haben 21 der 30 DAX-Konzerne ihre Vergütungsberichte 2013 veröffentlicht. Demnach bezog Daim-ler-Chef Dieter Zetsche mit 8,3 Millionen Euro (plus ein Prozent) das zweithöchste Gehalt. Den größten Zuwachs verbuchte Karl-Ludwig Kley - der Boss des Darmstädter Pharmaherstellers Merck konnte seine Bezüge um 40 Prozent auf 7,7 Millionen Euro steigern. Die Merck-Vorstände erhalten mittlerweile 84 Prozent ihres Gehalts in Form variabler leistungsabhängiger Bestandteile. Wachsender Unternehmensprofit macht sich dadurch umgehend bemerkbar.

Was aber, wenn die Bilanz einmal negative Vorzeichen hat? Der Energiekonzern RWE fuhr 2013 einen Rekordverlust in Höhe von 2,8 Milliarden Euro ein. Das hinderte den Vorstand aber nicht, sich eine »erfolgsabhängige« Zusatzvergütung in Höhe von zusammen gut acht Millionen zu genehmigen - fast drei Viertel der Gesamtbezüge. RWE-Chef Peter Terium steigerte sein Gehalt von 3,7 auf 4,5 Millionen Euro.

Die anderen DAX-Vorstände konnten ihr Einkommensniveau zumindest halten. Zwölf Vorstandsvorsitzende kassierten mehr und neun weniger als im Jahr zuvor. Im Durchschnitt verdiente 2013 ein Vorstandsvorsitzender fünf Millionen Euro - das ist es doppelt so viel wie 2002. Ein einfaches Vorstandsmitglied bringt es auf durchschnittlich 2,6 Millionen (plus 126 Prozent). Hinzu kommen noch die Beiträge des Unternehmens zur Altersversorgung - bei den untersuchten Konzernlenkern lagen sie 2013 zwischen einer halben und gut einer Million Euro.

Dabei gibt es verstärkte Kritik aus Politik und Öffentlichkeit an allzu großer Gier. Seit 2012 mehren sich Fälle, in denen Spitzenleute aus Imagegründen auf einen Teil der ihnen vertraglich zustehenden Boni verzichten - so Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und auch VW-Chef Winterkorn.

Die Kritik an der Selbstbedienung der Manager und ihrer Abnabelung von der allgemeinen Lohnentwicklung wurde von der Regierungskommission »Corporate Governance Kodex« aufgegriffen. Sie empfiehlt den Unternehmen, »angemessene« Vergütungen zu vereinbaren, über die aber weiterhin der Aufsichtsrat entscheiden soll. Im Kodex wird auch vorgeschlagen, einen Höchstbetrag vertraglich festzulegen. Der ThyssenKrupp-Vorstand hat die Empfehlung umgesetzt: Bei vier Millionen Euro ist Ende der Fahnenstange - beim Vorsitzenden gilt das Doppelte. Gegenwärtig hat Konzernchef Heinrich Hiesinger ein Gesamtsalär von 4,9 Millionen - bis zum Deckel ist noch erheblicher Spielraum.

Bei der Gehaltsfestlegung kommen neben der Entwicklung von Gewinn und Aktienkurs verschiedene Vergleichsmaßstäbe zum Einsatz. War früher ausschlaggebend, was die Kollegen von der ausländischen Konkurrenz verdienten, soll nun auch auf das Einkommensgefälle im eigenen »Laden« geachtet werden.

Ideologisch begründet wird der hohe Abstand zwischen oben und unten mit Begriffen wie »Verantwortung« und »Leistung«. Doch auch in anderen Positionen wird etwas geleistet und verantwortet. Ein Beispiel macht das deutlich: Die frühere hessische Justizministerin und spätere Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt verdiente in jener Zeit 200 000 Euro im Jahr. Mit dem Wechsel in den Daimler-Vorstand 2011 erhöhte sich ihr Einkommen schlagartig auf das 15-Fache.

Auch die Präsenz der Gewerkschaften in den Aufsichtsräten hat bislang nicht bewirkt, dass die Manager anderen Zielen als der Profitsteigerung folgen. Denkbar wäre es, die Topvergütungen an die Entwicklung der betrieblichen Lohnsumme zu koppeln - wer viele Stellen abbaut, verdient eben weniger. Neuland betrat hingegen VW - im Bericht sind neben der Rendite noch andere Vergütungsfaktoren aufgeführt wie die Kunden- sowie die Mitarbeiterzufriedenheit. Die Deutsche Bank will jetzt entsprechend folgen.

Das hindert etliche Konzerne jedoch nicht daran, kräftig Stellen abzubauen. So schrumpfte die E.on-Belegschaft 2013 um 10 000 auf 62 200 Mitarbeiter. Merck strich jeden zehnten Arbeitsplatz.

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