Verbrecher

Jörg Sundermeiers Verbrecher Verlag erhält heute den Kurt-Wolff-Preis

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Jörg Sundermeier in den frühen 90ern »straffällig« wurde, war er Anfang Zwanzig, Tatort: Bielefeld. Dort studierte der gebürtige Gütersloher mit seinem Komplizen Werner Labisch, wobei man sich das Studium als eines mit angezogener Handbremse vorstellen muss. Woher hätten sie auch Zeit zum Studieren nehmen sollen (wenn nicht stehlen), da sie doch stets einer zwielichtigen Leidenschaft frönten: dem Lesen anrüchiger, unerhörter, aufregender Literatur, die in den Semesterplänen nicht vorkam. Frischen Stoff witterten die beiden, wenn sie Texte in subversiven Zeitschriften lasen, die auf unveröffentlichte Buchmanuskripte schließen ließen. Sie schrieben die Autoren an und behaupteten, sie würden das Manuskript gern für eine Veröffentlichung in dem Verlag prüfen, den sie angeblich betrieben.

»Das war eine faustdicke Lüge«, weiß Dietmar Dath, der den Verbrechern 1994 in die Falle ging. Von ihnen geködert, brachte Dath es fertig, einen dicken Roman eigens für den Verlag zu schreiben, den es gar nicht gab. Als sie dieses Manuskript - beschämt - in den Händen hielten, beschlossen Sundermeier und Labisch, ernst zu machen. Daths »Cordula killt dich!« war das erste Buch, das 1995 unter dem Label Verbrecher Verlag tatsächlich erschien.

Inzwischen sind es über 150 Titel: Werkausgaben von Erich Mühsam, Giwi Margwelaschwili und Gisela Elsner etwa, literarische Entdeckungen wie jüngst Lisa Kränzler, Sachbücher, Kunstbücher, Comics. Am heutigen Freitag erhält der Verlag, der seit 2011 von Sundermeier allein geführt wird, auf der Leipziger Buchmesse den mit 26 000 Euro dotierten Kurt-Wolff-Preis. Die Jury zeichnet die Verbrecher dafür aus, dass sie »die Erinnerung an die sozialistischen und anarchistischen Traditionen in Deutschland wachhalten und zugleich den aktuellen literarischen und essayistischen Erkundungen des Stadtlebens, der Musik und der Politik eine feste Bühne bieten«. Dietmar Dath hält die Laudatio.

Dass das von Sundermeier, der neben seiner Verlegertätigkeit auch für linke Zeitungen schreibt, und seinen Banditen mörderisch gefeiert wird, ist ja wohl klar.

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