44 Jahre Erfolg! Und nun?

Bayern München bestreitet gegen Leverkusen das erste Spiel ohne Uli Hoeneß seit 1970

Kurzfristig könnte der Rücktritt von Uli Hoeneß dem FC Bayern gar einen positiven Schub geben. Langfristig wird sich zeigen, ob er den Klub tatsächlich nach seinem eigenen, wichtigsten Credo geführt hat.

Am Donnerstagabend trafen sich zwei der glanzvollstes Namen des Sports, der FC Bayern München feierte einen Sieg gegen Real Madrid. »Wenn er nicht wäre, hätte dieses Spektakel keiner erlebt.« Gesagt hat das Svetislav Pesic, Trainer der Münchner Basketballer, die in der Euroleague gerade gegen eine der weltbesten Mannschaften gewonnen hatten. Pesic hat Recht, wenn Uli Hoeneß nicht wäre, dann gäbe es die Korbjäger des FC Bayern wohl nicht. Auch sie sind ein nicht unbedeutender Teil seines Lebenswerkes. Dieses Gemälde in Rot, Weiß und Blau - eines der weltweit wertvollsten im Sport - wird er zumindest für dreieinhalb Jahre nicht mehr aktiv mitgestalten können.

Nachdem Uli Hoeneß am Donnerstag vom Landgericht München II zu einer Haftstrafe von eben jener Dauer wegen Steuerhinterziehung von mindestens 28,5 Millionen Euro verurteilt wurde, trat er am Freitag als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern München zurück. So bestreitet der Klub am Sonnabend gegen Bayer Leverkusen seit fast 44 Jahren erstmals ein Spiel ohne Hoeneß. Am 15. August 1970 debütierte der damals 18-Jährige gegen den VfB Stuttgart für den FC Bayern - und setzte seine Karriere im Klub als Manager, Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender bis zum 14. März 2014 fort. Selbst als der Außenstürmer 1978 ein halbes Jahr für den 1. FC Nürnberg auflief, war er noch ein Münchner - der FC Bayern hatte ihn nur ausgeliehen.

Neben dem Rücktritt hat sich Hoeneß auch gegen eine Revision entschieden. Für seine Erklärung (»Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung«) erntete er am Freitag einen unerklärlichen Sturm des Respekts. Einerseits kann man darüber spekulieren, ob in einem weiteren Prozess nicht noch ganz andere Summen das Licht der Wahrheit erblickt hätten? Schließlich steigerte sich Hoeneß’ Steuerschuld im ersten Prozess von 3,5, über 18, 27,2 auf 28,5 Millionen Euro. Und als ganz und gar nicht sicher gilt, dass eine eigene Revision von Hoeneß das Strafmaß überhaupt hätte drücken können. Und ist es letztlich nicht einfach nur normal, eine Strafe für begangenes Unrecht zu akzeptieren? Zumindest dann, wenn man sich schuldig fühlt. Es ist nicht nur die unglaubliche Höhe von bislang bekannten 28,5 Millionen Euro Steuerschulden, die Respektsbekundungen absurd machen. Die Worte »Anstand« und »Haltung« bedürfen einer Übersetzung vom Hoeneßschen ins Deutsche. Das Finanzgenie des deutschen Fußballs soll den Überblick verloren haben? Nein, Uli Hoeneß hat jahrelang in vollem Bewusstsein gehandelt. Die eilig und laut Gericht »unzureichend« zusammengeschusterte Selbstanzeige war nur ein verzweifelter Versuch von Hoeneß, den Kopf noch irgendwie aus der Schlinge zu bekommen. Jetzt ist er drin. Sollte die Staatsanwaltschaft in der kommenden Woche ebenfalls auf eine Revision verzichten, wäre das Urteil rechtskräftig.

Dass Uli Hoeneß am Staat vorbei in die eigene Tasche zockte, wundert beim Blick auf seinen Werdegang kaum. Er wollte immer nur das Maximum. Seine Energie und Kreativität, sein Fleiß und Ehrgeiz ließen ihn schon in der Schulzeit in Ulm gewinnbringende Geschäfte machen. Als Nachwuchsfußballer mit etwas weniger Talent als andere ausgestattet, drehte er in seiner Freizeit Extrarunden - und kam ans Ziel: Welt- und Europameister, dreifacher Sieger des Europapokals der Landesmeister. Ab 1979 als Manager und ab 2009 als Präsident machte er aus einem mit sieben Millionen Mark verschuldeten Verein den derzeit sportlich erfolgreichsten und bei einem Jahresumsatz von mehr als 430 Millionen Euro den wirtschaftlich gesündesten Fußballklub der Welt. Seit im Februar die Allianz AG mit 110 Millionen Euro für 8,33 Prozent der Anteile als dritter Investor in die FC Bayern München AG eingestiegen war, ist auch die schmucke Arena abbezahlt und der Klub alleiniger Besitzer. Pikant dabei: Den einzigen Rücktritt vor dem jetzigen Urteil vollzog Hoeneß vom Aufsichtsratsposten bei der Tochterfirma Allianz Beratungs- und Vertriebs GmbH - aus »persönlichen Gründen«.

Hoeneß hinterlässt ein großes und zugleich schweres Erbe beim FC Bayern. Ein Visionär wie er ist nicht in Sicht. Inspiriert von amerikanischen Klubs in den großen US-Profiligen revolutionierte er als junger Manager die Vermarktung des eigenen Vereins. Später sagte er: »Mein Traum ist, dass wir auf dem Marienplatz mit zwei Mannschaften stehen.« Neben den Fußballern wollte er auch mit den Basketballern die nationale Meisterschaft feiern. Ganz wie die Vorbilder Real Madrid und FC Barcelona. Um diese Pläne zu realisieren, reiste Hoeneß nach New York - und brachte Startrainer Pep Guardiola mit. Der gewann ebenso so wie Svetislav Pesic mit dem FC Barcelona das Triple.

Und wie Barca und Real ist auch der FC Bayern auf dem Weg zur Weltmarke. Am 1. April eröffnet der Verein in New York ein Büro. Im Sommer gehen die Münchner auf Marketingreise in die USA. Deswegen muss die Deutsche Fußball Liga das Supercupspiel zwischen Meister und Pokalsieger verschieben. Kein Problem: Denn der FC Bayern zog als Lokomotive den gesamten deutschen Fußball mit, Uli Hoeneß war der Motor.

In seiner Erklärung vom Freitag bezeichnete Uli Hoeneß die Steuerhinterziehung als den »Fehler meines Lebens« und den FC Bayern als »mein Lebenswerk«. Beides stimmt. Für den Fehler büßt er allein. Aber was macht sein Lebenswerk ohne ihn. Hoeneß’ Rücktritt kann zumindest sportlich kurzfristig beflügeln. Das bewiesen die Basketballer gegen Real Madrid, und das beweisen die Fußballer seit über einem Jahr. Immer wieder betonten die Profis, »für Uli« zu spielen. Für das Gesamtkonstrukt wird sich zeigen, ob Hoeneß den Klub tatsächlich nach seinem eigenen, wichtigsten Credo aufgestellt hat: »Keine Person ist größer als der Verein.« Sollte Hoeneß Schaffenskraft aber allzu sehr vermisst werden, ist es ja durchaus möglich, dass er in dreieinhalb Jahren wieder da ist. Loyal ergeben wird ihm der FC Bayern sicher auch dann noch sein. Moralische Zweifel spielten bislang auch keine Rolle.

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