Der Datenschutz hinkt hinterher

Verbraucherschützer Wolfgang Baumgarten über die häufigsten Probleme im Internet und Hilfen für Nutzer

  • Lesedauer: 3 Min.
Wolfgang Baumgarten ist Jurist bei der Verbraucherzentrale Brandenburg. Anlässlich des heutigen Weltverbrauchertages, der die digitale Welt in den Mittelpunkt stellt, sprach Grit Gernhardt mit ihm über Stolperfallen im Internet und nicht ausreichende Datenschutzgesetze.

nd: Ein großer Teil des gesellschaftlichen Lebens findet inzwischen im Internet statt. Die neue Garderobe wird beim Online-Shop bestellt und per Mausklick bezahlt. Smartphones und Tablets machen das Netz ständig verfügbar. Dadurch gibt es immer wieder neue Stolperfallen und rechtliche Streitfragen. Reicht die Aufklärung über Rechte und Pflichten im Netz noch nicht aus?
Baumgarten: Sie reicht definitiv nicht aus. Alle erreicht man leider nicht. Dazu kommt, dass immer wieder Verbraucher neu mit dem Internet konfrontiert werden und eingearbeitet werden müssen. So machen Kinder und Jugendliche oft aus Unkenntnis Fehler. Aber auch viele ältere Leute, die das Internet erst seit Kurzem nutzen, stehen vor neuen Problemen. All denen müssen wir zeigen, wo die Stolperfallen sind.

Facebook, Twitter, WhatsApp - viele Kinder und Jugendliche gehen leichtsinnig mit persönlichen Daten um oder schließen versehentlich kostenpflichtige Abonnements ab. Was können Eltern oder Lehrer tun, um ihnen den Weg durch den Netzdschungel zu erleichtern?
Man muss die Verbraucher, auch die Kinder, sensibilisieren, was im Internet möglich ist und wer womöglich die eingegebenen Daten nutzt. Datenschutz ist eine der größten Herausforderungen, weil es eine globale ist. Man kann von Deutschland aus nicht das Internet kontrollieren. Für konsequenten Datenschutz reichen EU-Entscheidungen nicht aus, es müssten vielmehr weltweit verbindliche Standards eingeführt werden. Deutschland kann dort Vorreiter sein, da es bereits ein ziemlich weitgehendes Datenschutzrecht hat. Die NSA-Affäre wäre hierzulande nicht ohne Weiteres möglich gewesen.

Das ist die rechtlich-politische Seite. Welche praktischen Hilfen bieten die Verbraucherzentralen den Menschen an?
Wenn Verbraucher zu uns in die Beratung kommen, haben sie ein bestimmtes Problem im IT-Bereich, etwa einen Vertragsabschluss im Internet. Dann machen wir darauf aufmerksam, wo die Fehler liegen und wie man sie vermeiden kann. Verhaltensweisen, die zu Problemen geführt haben, werden gezielt besprochen.

Welche Themen werden am häufigsten nachgefragt?
Sehr häufig treten nach wie vor untergeschobene Verträge auf, die im Internet geschlossen worden sein sollen. Wir haben aber auch Anfragen zum Datenschutz. Die Leute fragen sich, woher Firmen ihre Daten haben. Viele wollen auch wissen, wie sie ihre Accounts in sozialen Netzwerken wie Facebook löschen können.

Ganz neu tritt gerade wieder die Problematik der Internetabzocke auf, die mit der Button-Lösung eigentlich erledigt schien. Damit ist es viel schwieriger geworden, jemanden im Internet in ein Vertragsverhältnis zu locken. Aber dieselben Leute, die damals für die Abzockseiten verantwortlich waren und daran verdient haben - wofür sie auch Strafverfahren hinnehmen mussten - versuchen jetzt mit Hilfe von Inkassobüros Altforderungen einzutreiben. Seit ein, zwei Wochen beobachten wir diese Entwicklung. Wie das rechtlich zu bewerten ist, werden wir sehen. Verbraucher, die deshalb zu den Verbraucherzentralen kommen, schicken wir konsequent zur Polizei, um Strafanzeige zu erstatten.

Die Internetwelt verändert sich rasant. Kann man da als Verbraucherschützer überhaupt Schritt halten?
Das ist eine berechtigte Frage. Obwohl wir die Datenschutzgesetze in Deutschland haben, hinkt der Datenschutz den gesellschaftlichen Möglichkeiten hinterher. Er wird einfach nicht schnell genug angepasst, was aber aufgrund der aufwendigen und langwierigen Gesetzgebungsverfahren auch gar nicht so ohne Weiteres möglich wäre. Denn ein Gesetz soll ja für eine möglichst große Anzahl von Fällen gelten. Die Ressourcen, die Parteien und gesellschaftliche Gruppen haben, müssten gezielter eingesetzt werden, um im Datenschutz mehr zu erreichen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat vor mehr als fünf Jahren das Projekt www.surfer-haben-rechte.de gestartet. Wie wird das von den Verbrauchern angenommen?
Die Internetseite ist sehr gut besucht. In unseren Beratungen kommen auch öfter Nachfragen zum Projekt. Wir weisen Verbraucher, die zu uns kommen, zudem darauf hin, dass es ein solches Angebot gibt, wo man sich über Sicherheit im Netz informieren kann.

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