Mehr Respekt für das neue Maskottchen

Oliver Kahn freundet sich langsam mit seiner neuen Rolle als Edel-Reservist der deutschen Nationalmannschaft an

  • Oliver Händler, Berlin
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Journalisten hatten lange auf ihn warten müssen, doch am Ruhetag war er endlich da. Oliver Kahn, der deutsche Vorzeigetorhüter der letzten Jahre, bei der WM hinter Jens Lehmann aber nur die Nummer zwei, tauchte am Mittwoch zum ersten Mal bei einer der alltäglichen Pressekonferenzen des DFB auf und stellte sich den Fragen, auf die er vor drei Wochen wohl noch etwas anders geantwortet hätte. Die neue Rolle, die er in der Mannschaft ausübt, sei eine tolle neue Erfahrung für ihn. »Ich halte den jungen Spielern positive Ansprachen, trete ihnen aber auch mal in den Hintern«, beschreibt er seine neue Funktion, die ihm durchaus Spaß mache. Er fügt zwar sofort an, ihm falle es als Spieler natürlich schwer, auf der Bank zu sitzen, aber sowohl seine Aussagen als auch die Jürgen Klinsmanns erwecken den Eindruck, als sei Kahn mittlerweile zum dritten Assistenztrainer oder zumindest zum Mannschaftsmaskottchen mutiert. Vor der WM galt er als Ehrgeizling, von dem man befürchten musste, dass er während des Turniers als Einzelkämpfer auftritt und Unruhe in die Mannschaft bringen würde. Nun lobt er sogar seinen Erzrivalen Lehmann. »Jens Leistung ist tadellos. Er gibt der Hintermannschaft Sicherheit.« Solche Aussagen bringen dem Münchner Respekt ein, »mehr als ich vorher hatte, als ich so viele Titel gewann«, meint er. Er erkenne nun, dass er auch akzeptiert wird, wenn er »nicht nur auf den Erfolg geeicht ist« wie über seine gesamte Karriere hinweg, so der deutsche Star der letzten WM. Der neue Held der Mannschaft heißt Miroslav Klose, für den Kahn auch nur gute Worte findet. »Vor vier Jahren war er nur sportlich erfolgreich und ansonsten eher ruhig und zurückhaltend«, sagt Kahn. »Jetzt ist er durch seinen Erfolg zu einer Spielerpersönlichkeit gereift, die die Mannschaft führt.« Klose selbst sieht sich ebenfalls weiter als vor vier Jahren, auch wenn er seine Entwicklung eher auf das Sportliche reduziert. Seine Fitness- und Kraftwerte seien wie beim gesamten Team auf höchstem Niveau, und so sieht der Torschützenkönig der Bundesliga genau wie Co-Trainer Joachim Löw keinen Grund dafür, Angst vor dem Viertelfinalgegner Argentinien zu haben. Auch wenn der Bremer es nicht für erwähnenswert hält, merkt man ihm den gewachsenen Ehrgeiz und das größere Selbstvertrauen an. So ist sein erster Satz auf der Pressekonferenz eher dem Gegner gewidmet als den Reportern: »Die Argentinier waren vor der WM Favorit auf den Titel. Nun haben sie leider das Pech, auf uns zu treffen«. Ein Satz, den man vor vier Jahren von Klose so nicht gehört hätte. Er habe sich vor zwei Jahren gewisse Ziele gesetzt, die er jetzt mit seinen vier Toren und dem Einzug ins Viertelfinale noch nicht erreicht habe. Das Trainer-Team scheint die Mannschaft schon wieder richtig motiviert zu haben, obwohl die Videoanalysen und das gezielte Training in bezug auf die Argentinier noch ausstehen. »Wir haben der Mannschaft Bilder von den Fanmeilen gezeigt und ihre Tore natürlich«, so Löw. »Wir versuchen, ihr die Emotionen im Land aufzuzeigen.« Das deutsche Team sieht Löw mittlerweile einen Schritt weiter als noch vor einem Jahr, als man beim Confed-Cup den Argentiniern ein 2:2 abringen konnte. »Wir sind jetzt selbst in der Lage, das Spiel zu gestalten«, so Löw, der die Hauptaufgabe trotzdem darin sieht, den Argentiniern bei deren Spielaufbau »ständig auf die Nerven zu gehen.« Argentinien sei die homogenste Mannschaft bei dieser WM und somit für ihn die im Moment stärkste des Turniers. Dies steht auch für Klose und Kahn außer Frage. Auch wenn man nicht nervös sei, merke man in der Mannschaft doch eine erhöhte Anspannung. »Wir wissen alle, wie wichtig es ist, dieses Spiel zu gewinnen«, sagt Klose, und Kahn setzt noch einen drauf: »Jeder in der Mannschaft hat das große Ziel, sie zu schlagen. Man spürt so einen speziellen Geist.« Nur bei ihm selbst fehlt noch der letzte Kitzel. Das ist eben so, wenn man nicht spielt.
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