Die Strategie der »Kümmerer«
Rechtsextreme drängen in Kommunalvertretungen Mecklenburg-Vorpommerns
Hilft Singen gegen Rechtsextremisten? Nicht nur die Schülerin Lisa Maria Kloth, die an diesem Abend auf dem Markt in Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) steht, meint »Ja«. Bis zu 100 Demonstranten versammeln sich einmal pro Woche in dem Ort in Vorpommern und singen das Lied »Sag mir wo die Blumen sind«. »Musik hat schon oft geholfen«, sagt die 16-jährige Gymnasiastin Kloth.
Gesang bedeutet hier Protest gegen die Zulassung des NPD-Kandidaten Kristian Belz zur Wahl des Bürgermeisters am 23. März. Organisiert wird der Protest unter anderem vom »Aktionsbündnis Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!«. Obwohl politische Beobachter Belz keine echte Chance gegen zwei Konkurrenten einräumen, die von SPD, CDU und LINKEN unterstützt werden, sorgt der Vorfall über Vorpommern hinaus für Schlagzeilen.
Die Kandidatur ist kein Einzelfall in Mecklenburg-Vorpommern: Ungeachtet eines möglichen NPD-Verbotes wollen Rechtsextreme bei den Kommunalwahlen wieder in alle Kreistage und etliche kommunale Parlamente einziehen. Das ergab eine dpa-Umfrage bei den zuständigen Wahlausschüssen. So stehen Rechtsextreme unter anderem in Anklam, Ueckermünde und Löcknitz in Vorpommern, in Rostock sowie in Lübtheen (Kreis Ludwigslust-Parchim) auf den Wahlzetteln.
Das überrascht Experten nicht. »Die Rechtsextremen haben seit Jahren eine ›Kümmerer-Strategie‹ verfolgt«, hat Extremismusforscherin Gudrun Heinrich von der Universität Rostock beobachtet. Das würden sie jetzt nicht aufgeben. Unter dem Deckmantel von Initiativen wie »Schöner und sicherer wohnen« oder Anträgen zum Verbot von lautem Lkw-Verkehr innerhalb von Ortschaften erweckten sie den Anschein, sich um Probleme zu kümmern. »Außerdem haben vergangene Wahlen erwiesen, dass es in einigen Regionen ein Wählerpotenzial von drei bis fünf Prozent für diese Szene gibt«, sagt Heinrich. Durch das laufende Verbotsverfahren sollte es der NPD aber noch schwerer fallen, sich als harmlose Partei darzustellen.
Das Ziel, Bürgermeister zu stellen, verfolgen die Rechtsextremen seit Jahren. Dagegen arbeiten regionale Gruppen wie in Anklam oder Pasewalk. Seit Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) die Kommunalverfassung ändern ließ, müssen Kandidaten vor der Wahl in ein Ehrenamt eine Demokratieerklärung abgeben. Bei Zweifeln an der Ernsthaftigkeit dieser Unterschrift entscheidet der Wahlausschuss. Dadurch wurden NPD-Landtagsabgeordnete schon von Bürgermeisterwahlen in Anklam und Ueckermünde ausgeschlossen.
Auch in Löcknitz, wo Polen und Deutsche eng zusammenleben, muss sich der Gemeindewahlausschuss mit dem Thema befassen: Hier will der NPD-Kreistagsabgeordnete Dirk Bahlmann Bürgermeister werden. »Da Bahlmann aber schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, dürfte er den Anforderungen an das Ehrenamt nicht gerecht werden«, sagt der scheidende Löcknitzer Bürgermeister Lothar Meistring (LINKE). Bahlmann soll für die Zerstörung einer Gedenktafel für eine jüdische Synagoge verantwortlich sein.
In Pasewalk wird am Sonntag der Bürgermeister neu bestimmt, weil Amtsinhaber Rainer Dambach, Gründer des Aktionsbündnisses gegen Rechts, Ende 2013 gestorben war. Wie 2010 hatte der Stadtwahlausschuss NPD-Mann Belz auch diesmal wegen Zweifeln an der Verfassungstreue nicht zur Wahl zugelassen. Nach dessen Beschwerde ließ der Kreiswahlausschuss seine Kandidatur aber doch zu. Der Bewerber habe sich schriftlich und mündlich unmissverständlich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt, hieß es. dpa/nd
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