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Kinderlachen ist stärker als Kriegsgeheul

  • Emran Feroz
  • Lesedauer: 3 Min.
Kinderlachen ist stärker als Kriegsgeheul

Salim ist elf Jahre alt. Zumindest glaubt er das. Wie alt er genau ist, weiß Salim nicht – wie viele Kinder in Afghanistan. Salims Tag beginnt pünktlich mit dem Morgengebet. Eine Tasse Tee. Ein Stück Brot. Dann geht es zur Metallwerkstatt.

Das Kabuler Stadtbild ist geprägt von Kinderarbeit. Überall schuften kleine Kinder schuften: Sie putzen Schuhe, verkaufen Obst oder Feuerholz oder verrichten schweißtreibende Arbeiten, die man sich hierzulande nicht vorstellen kann. Andere müssen betteln, um irgendwie über die Runden zu kommen.

Zehn Stunden am Tag arbeitet Salim, fünf Tage die Woche. In der Nähe des Darul-Aman-Palasts schleift er Eisen. Andere Arbeiter verarbeiten es weiter. Dafür erhält er am Ende des Tages rund 200 Afghani, umgerechnet etwa zwei Euro und fünfzig Cent. »Für afghanische Verhältnisse ist das gar nicht so schlecht«, sagt er stolz und lächelt. Sein Gesicht ist verdreckt. Vom vielen Schleifen sind seine Augen gerötet und zusammengekniffen.

Auf die Frage, warum er nicht in die Schule geht, antwortet Salim, dass er seine Familie ernähren müsse. Er hat noch vier Geschwister: drei sind jünger als er. Sein älterer Bruder arbeitet in einer Tischlerei. Salims Vater ist vor einigen Jahren gestorben, seitdem müssen sich die Söhne um ihre Mutter sowie um ihre jüngeren Geschwister kümmern.

Wenn der Gebetsruf ertönt, breitet Salim ein großes Stück Pappe aus und beugt sich gen Mekka. Es ist sein Gebetsteppich. In den Pausen liest er manchmal ein Buch. Oder er versucht es zumindest, wie er betont. Lesen kann er nur etwas. »Irgendwann würde ich schon gerne in die Schule gehen, wenn mehr Geld da ist und so«, sagt er.

Salim Alltag ist typisch für Kinder in Afghanistan. Für Menschen, die im Wohlstand leben, klingt er fürchterlich und das ist er wahrscheinlich auch. Dennoch strahlen die Kinder, erscheinen manchmal glücklicher als die Kinder anderswo.

Viele Kinder arbeiten in Afghanistan, aber nicht alle. Viele spielen den ganzen Tag auf den Straßen und in den Gassen. Besonders beliebt sind Fußball und Cricket: egal bei welchem Wetter, egal mit was für einem Ball oder Schläger und egal, ob mit oder ohne Schuhe.

Es erstaunt, wie Kinder eines Landes, welches seit Jahrzehnten von Krieg und Terror heimgesucht werden, oft glücklicher erscheinen als Kinder im Westen. Wer ihr Lachen hört und ihr Strahlen sieht, versteht, warum Glück offenbar nicht von Smartphones, Tablets und permanenter Internetverbindung abhängt. Was ein iPad ist, weiß Salim nicht so genau. »Dieses blinkende Zeug, was man oft in Werbungen sieht?«, fragt er neugierig.

Aber nicht alle Kinder in Afghanistan sind arm: Die Sprösslinge der reichen Elite machen nur einen Bruchteil des Gesamtbevölkerung ausgemacht. Uns Europäern sind sie erschreckend ähnlich: In der einen Hand das Smartphone, in der anderen ein Tablet. Online-Spiele und ein Facebook-Account sind für sie selbstverständlich. Der Alltag ihrer Gleichaltrigen in Afghanistan ist ihnen genauso fern, wie jenen im Westen.

Am Freitag, den Feiertag der islamischen Woche, wollen sie Salim und seine Freunde etwas zusammen unternehmen. Die Wahl fällt schwer: Kicken am Bolzplatz oder doch in die andere Richtung, wo vor einiger Zeit ein neuer Spielplatz errichtet wurde? Sie entscheiden sich für den Spielplatz. Sicher wirken die Geräte nicht, eher wie ein Provisorium. Viele Eltern kommen dennoch mit ihren Kindern her. In der Nähe verkauft ein freundlich blickender Mann Zuckerwatte und Popcorn. Es ist ein fröhlicher Ort, an dem das Kindergelächter schnell den Kriegsalltag vergessen lässt.

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