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»Generation Klinsmann« vor Crashtest

Im Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien in Berlin geht es heute um alles oder nichts

  • Matthias Koch, Berlin
  • Lesedauer: 4 Min.
Der 7. Oktober ist ein geschichtsträchtiger Tag. Nein, gemeint ist diesmal nicht der von 1949, an dem die DDR gegründet wurde. In den Wochen der Fußball-WM liegt der Fokus eher auf dem 7. Oktober 2000. Damals hauchte das alte Wembley-Stadion seinen letzten Atem aus. Zum Abschiedsparty waren die Mannschaften von England und Deutschland geladen. Die DFB-Elf gewann durch einen Freistoß von Dietmar Hamann mit 1:0. Es war der letzte Sieg einer deutschen Nationalelf gegen einen »Großen« der Fußball-Welt.
Seitdem gab es in 16 Vergleichen mit Mannschaften wie Frankreich, England, Argentinien, Brasilien, Niederlande, Spanien oder Italien maximal ein Unentschieden zu bestaunen. Zehn Mal gingen die Akteure der Bundesrepublik als Verlierer vom Rasen.

Wenn die WM-Party der deutschen Nationalelf weitergehen soll, muss diese Negativserie im heutigen Viertelfinale gegen Argentinien im ausverkauften Berliner Olympiastadion (ab 17 Uhr/live in der ARD) ihr Ende finden. »Wir haben keine Angst, auch wenn es gegen Argentinien geht und diese Mannschaft zusammen mit Brasilien bei diesem Turnier das Nonplusultra darstellt«, sagte der deutsche Kapitän Michael Ballack auf der abschließenden und von rund 400 Journalisten aus dem In- und Ausland besuchten Pressekonferenz des DFB am Donnerstag in Berlin.
Die Chancen auf ein Weiterkommen der deutschen Mannschaft bezifferte Regisseur Ballack in Prozent gerechnet auf 60:40. »Wir haben in letzter Zeit zwei Mal gegen Argentinien unentschieden gespielt und nicht so schlecht ausgesehen. Es geht jedoch nicht darum, eine tolle Partie abzuliefern. Wir wollen weiterkommen.«
Die Generation unter Bundestrainer Jürgen Klinsmann steht also vor einem Crashtest, bei dem keine Nachbesserungen möglich sind. Im Falle einer Niederlage ist das Turnier für Deutschland beendet. Doch daran verschwendet der Bundestrainer keinen Gedanken. »Der Heimvorteil spielt eine große Rolle für uns, egal, ob wir in München, Dortmund oder Berlin spielen«, trat Klinsmann Befürchtungen entgegen, nach denen die Unterstützung der Fans im Berliner Olympiastadion mit den wegen der Laufbahn relativ weit vom Spielfeld entfernt sitzenden Zuschauern schlechter sein könnte als in den reinen Fußballstadien in München oder Dortmund.
Klinsmann sah nicht so aus, als ob er dem sportlichen Tod ins Auge blicken würde. »Die Erwartungshaltung in beiden Ländern ist sehr hoch. Wir müssen sicher an die Grenze unserer Leistung gehen«, meinte der 41-Jährige. »Aber ich bin guten Mutes, dass wir das Weiterkommen ohne ein Elfmeterschießen sichern können.« Die Frage eines italienischen Kollegen zu einem möglichen Halbfinale gegen Italien wollte der frühere Stürmer aber dann nicht beantworten. Klinsmann: »Wir denken noch nicht über den nächsten Schritt nach.«
Torhüter Jens Lehmann mochte angesichts seiner hohen Konzentration auf das Match gegen den Weltmeister von 1978 und 1986 nicht mal in die nähere Vergangenheit schauen. Er habe vom Lob seines Kollegen und Konkurrenten Oliver Kahn, den er vor Beginn der WM als gefühlte Nummer eins abgelöst hatte, erst kurz vor Beginn der Pressekonferenz erfahren. »Ich bitte um Verständnis dafür, darauf heute nicht eingehen zu wollen«, sagte der Keeper von Arsenal London.
Für die vielen Fans, die mangels Karte den Viertelfinal-Klassiker heute in der Fanmeile oder im Fernsehen anschauen müssen, gibt es jedoch ein kleines Schmankerl. Im Unterschied zu den meisten Stadionbesuchern besitzen sie vor dem Bildschirm oder der Großbildleinwand einen exklusiven Blick auf Diego Maradona. Argentiniens oberster Fan wird auf der Tribüne des Olympiastadions wieder eine ganz besondere Show abziehen. »Wir freuen uns darauf, dass er zum Spiel kommt. Markige Sprüche für den Fall einer argentinischen Niederlage wird es von uns aber nicht geben«, sagte Bundestrainer Klinsmann, der als Spieler Maradona und sein Team im WM-Finale 1990 in Rom mit 1:0 bezwingen konnte.


Negativserie der deutschen
Nationalelf gegen »Große« seit 2001
2001 Frankreich (Auswärts) 0:1
2001 England (Heim, WM-Quali) 1:5
2002 Argentinien (H) 0:1
2002 Brasilien (WM-Finale) 0:2
2002 Niederlande (H) 1:3
2003 Spanien (A) 1:3
2003 Italien (H) 0:1
2003 Frankreich (H) 0:3
2004 Niederlande (EM-Vorrunde) 1:1
2004 Brasilien (H) 1:1
2005 Argentinien (H) 2:2
2005 Argentinien (Confed-Cup) 2:2
2005 Brasilien (Confed-Cup) 2:3
2005 Niederlande (A) 2:2
2005 Frankreich (A) 0:0
2006 Italien (A) 1:4
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