Bsirske: Arbeitgeber, hört die Signale!

Arbeitsniederlegungen an Airports / Lufthansa streicht fast 600 Flüge / Auch mehrere zehntausend Beschäftigte aus Stadtverwaltungen oder Kitas wollen Druck für mehr Gehalt machen

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Ver.di-Chef Frank Bsirske hat zum Auftakt eines groß angelegten Warnstreiktages im öffentlichen Dienst erklärt, die Arbeitsniederlegungen sollten »eine Einigung befördern, sie sollen verdeutlichen, wie die Stimmungslage in den Betrieben ist«. Derart drastische Mittel seien notwendig, weil die ersten beiden Verhandlungsrunden keine Einigung gebracht hätten. »Ich hoffe, dass die Arbeitgeber die Signale verstehen.« Die Tarifparteien seien »weit auseinander, was die Lohnhöhe angeht«.

Unter anderem an den großen deutschen Flughäfen hatten am Donnerstagmorgen Warnstreiks begonnen. So legten Flughafenmitarbeiter am größten deutschen Drehkreuz in Frankfurt die Arbeit nieder. »Ab 9 Uhr gibt es einen großen Streikzug mit allen Streikteilnehmern, wir rechnen mit ungefähr 2500«, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Uwe Schramm. In Hannover legten unter anderem Beschäftigte in der Flugzeugversorgung, in der Gepäckabfertigung und bei den Personenkontrollen die Arbeit nieder. Bereits am frühen Donnerstagmorgen mussten deshalb mehrere Flüge gestrichen werden. »Besonders betroffen sind Lufthansa-Flüge«, sagte eine Sprecherin des Flughafens. Auch an den Flughäfen in München, Düsseldorf, Hamburg, Köln/Bonn und Stuttgart wird gestreikt. Allein die Lufthansa hat wegen der Ausstände fast 600 Flüge gestrichen. Vor allem innerdeutsche und europäische Flüge sind betroffen.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert, hat Verständnis für die Warnstreiks der Gewerkschaft Verdi an mehreren deutschen Flughäfen geäußert. »Das ist natürlich ein Einschnitt für Reisende«, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Er habe »trotzdem Verständnis«, wenn man Druck aufbaue, um die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst hoffentlich in der kommenden Runde zu einem Erfolg zu führen. Burkert verwies darauf, dass Deutschland die wenigsten Streiktage in Europa habe, was auch an den relativ langen Laufzeiten von Tarifverträgen liege.

Wenne s hier und da Unmut über den Streik gebe, sagte die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann, sei das »zunächst verständlich. Aber der Ärger sollte sich nicht gegen die Streikenden richten. Sie brauchen Unterstützung. Verantwortlich sind die Arbeitgeber der Kommunen und des Bundes, die in der aktuellen Tarifrunde auch nach zwei Verhandlungsrunden noch kein Angebot vorgelegt haben.« Es sei Geld genug da, um eine Gehaltsanhebung zu finanzieren, sagte Zimmermann. »Niemand kann ernsthaft erwarten, dass Busfahrer, Müllwerker, Erzieherinnen oder Altenpflegerinnen die Zeche für eine verfehlte Haushaltspolitik zahlen. Nein, statt Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken der Beschäftigten zu betreiben und Raubbau am öffentlichen Dienst zu begehen ist Umverteilung das Gebot der Stunde. Allein eine fünfprozentige Vermögensteuer könnte jährlich über 80 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen.«

Die Gewerkschaft Verdi hatte im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes für Donnerstag zu den mehrstündigen Warnstreiks aufgerufen. Eine von der Gewerkschaft Verdi nicht bezifferte Zahl von Mitarbeitern der Flughafenbetreiber arbeitet noch nach den Tarifbedingungen des öffentlichen Dienstes. Die Gewerkschaften wollen mit dem Warnstreik Bewegung in die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst bringen. Verdi fordert 100 Euro Einkommensplus, zusätzlich 3,5 Prozent mehr Geld sowie einen einheitlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Die nächste Tarifrunde ist am 31. März in Potsdam angesetzt.

Die Fluggesellschaften haben bereits im Vorfeld hunderte Flüge gestrichen: Allein die Lufthansa sagte knapp 600 Verbindungen vor allem innerhalb Deutschlands und zu europäischen Zielen ab. Am größten deutschen Drehkreuz in Frankfurt sollen vom Betriebsbeginn bis 14.30 Uhr zwar nicht alle Flüge ausfallen, gesichert ist aber nur ein Notbetrieb. Die Passagiere müssen entweder ihre Flüge umbuchen oder auf die Bahn ausweichen. Der Flughafenbetreiber Fraport und die Fluggesellschaften haben sich auf die Betreuung gestrandeter Fluggäste eingerichtet. Das Vorgehen der Gewerkschaft ist auf scharfe Kritik der Luftverkehrsindustrie gestoßen, die sich als Unbeteiligte geschädigt sieht.

Zudem rief Verdi mehrere zehntausend Beschäftigte aus anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes wie Stadtverwaltungen, Nahverkehr oder Kitas zu Warnstreiks auf. Am Donnerstag soll es in mehreren Ländern Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen geben. So bleiben etwa auch in zahlreichen Kindereinrichtungen und Ämtern in Sachsen am Donnerstag die Türen zu. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Verdi und GEW, haben zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. In Leipzig und Dresden öffnen viele Schulhorte und Kitas nicht, im Nahverkehr in Chemnitz und Dresden müssen sich Fahrgäste auf Einschränkungen einstellen. In der sächsischen Landeshauptstadt soll am Mittag eine zentrale Kundgebung stattfinden. Bereits vor anderthalb Wochen hatte es eine erste Warnstreikrunde in Sachsen gegeben. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.