Anarchie an der Warnow
Rostocks OB ernennt zwei gewählte Senatoren nicht - Schwerin könnte ihn dazu zwingen
Bewerber um hohe städtische Ämter, so erklärte dieser Tage Rostocks parteiloser Oberbürgermeister Roland Methling, hätten einen »Anspruch auf ordnungsgemäße Auswahlverfahren«. Dies sei eine Frage der »Glaubwürdigkeit und Transparenz in der Rostocker Kommunalpolitik«. Widersprechen möchte dem wohl niemand. Doch drängt sich sogleich der Verdacht auf, dass mehr im Busche ist, wenn ein Verwaltungschef mit solcher Verve Selbstverständlichkeiten unterstreicht.
Tatsächlich führt die einzige Großstadt in Mecklenburg-Vorpommern derzeit ein Stück Polittheater auf, das für Außenstehende schwer nachvollziehbar ist: Die Bürgerschaft hat zwei der drei Senatoren neu bestimmt - doch der Oberbürgermeister weigert sich bisher glatt, den Ende Januar gewählten SPD-Kandidaten Chris Müller als Finanzsenator einzusetzen. Darüber hinaus wartet auch der Linkspolitiker Steffen Bockhahn, Anfang März in der Bürgerschaft zum Chef des städtischen Sozialressorts berufen, auf seine Ernennung.
In beiden Fällen, so sieht Methling das, musste er einfach Widerspruch einlegen: »Wir haben ein offenes und transparentes Verfahren zur Ausschreibung der beiden Senatorenposten vereinbart. Es ist nicht hinnehmbar, dass dieses Verfahren durch die Wahlen nun praktisch von der Seite aus durch eine Mehrheit in der Bürgerschaft ausgehebelt wurde.«
Für Oberbürgermeister Methling, der seit Jahr und Tag mit der Bürgerschaft über Kreuz liegt, stellt sich die Wahl der beiden also anscheinend als neuerliches Bubenstück der Parteien dar, die ihre Interessen über die der Stadt stellten. Eine bissige Parteienkritik gehört jedenfalls seit Langem zu seiner Rhetorik.
In seiner Erklärung argumentiert der Verwaltungschef freilich rein formal: »Wir haben bundesweit Anzeigen geschaltet. Geeignete Bewerberinnen und Bewerber haben sich damit auseinandergesetzt, ihre Freunde und Familien einbezogen und den Schritt gewagt, eine Bewerbung in Rostock abzugeben. Sie haben einen Anspruch darauf, dass das jeweilige Bewerbungsverfahren auch ordnungsgemäß durch- und zu Ende geführt wird.« Ansonsten brauche man »wichtige Positionen in unserer Stadt gar nicht mehr bundesweit auszuschreiben«.
Die Gescholtenen sehen das natürlich anders - und zwar nicht nur SPD und LINKE, um deren Kandidaten es geht. Auch die von der CDU gestellte Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens kritisierte vor einigen Tagen die Haltung des Oberbürgermeisters scharf.
Die SPD-Fraktion wirft Methling vor, in der Causa Müller wider besseres Wissen zu handeln: »Durch die Rechtsaufsicht im Innenministerium ist eindeutig klargestellt, dass weder ein Widerspruchsrecht des Oberbürgermeisters besteht, noch die angeführten Gründe zutreffen«, erklärt sie. Man gehe »davon aus, dass das Innenministerium die Wahl von Dr. Müller kurzfristig bestätigen wird«. Und Steffen Bockhahn, der das Gezerre um Müllers Ernennung mit großem Interesse verfolgt, findet es »befremdlich«, dass die Unterlagen zu seiner Wahl in der Bürgerschaft erst mit erheblicher Verzögerung zur Prüfung nach Schwerin geschickt worden seien.
Ein Sprecher des CDU-geführten Innenministeriums bestätigt gegenüber »nd«, dass die Bockhahn betreffenden Unterlagen gerade erst eingegangen seien. Nun habe man sechs Wochen Zeit zur Prüfung. Ein Ergebnis sei noch nicht abzusehen. In der Causa Müller jedoch liege aus Sicht des Ministeriums nichts vor, was gegen eine Ernennung sprechen könne. Daher habe das Ministerium ein dreistufiges Zwangsverfahren eingeleitet, das sich »in Phase eins« befinde.
Noch bis Mittwoch hat Methling demnach Zeit, sich gegenüber dem Ministerium zu erklären oder die Ernennung Müllers vorzunehmen. Ansonsten könnte das Ministerium dem Senator am Ende auch gegen den Willen des Oberbürgermeisters die Urkunde aushändigen.
Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte kürzlich im NDR, er hoffe, dass »die Vernunft siegt«. Methling dagegen baut seine Argumentation auf den Paragrafen 33 der Kommunalverfassung, nach dem ein Verwaltungschef »Beschlüsse« kassieren kann, wenn sie der Kommune schaden. Ob diese Bestimmung freilich auch für Wahlen gilt, die ja mehr sind als einfache Beschlüsse, ist zumindest fraglich.
Womöglich zwingt der Zwist also zu kleinteiligen juristischen Grundsatzerwägungen. Dabei bräuchte die Stadt dringend ein Ende dieser Form von Anarchie. Bald ist April - und noch gibt es weder einen Finanzer noch einen Haushalt für 2014.
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