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Jan Ullrich vor Ende seiner großen Karriere?

Vor dem Start der Tour de France überschlagen sich die Ereignisse / Ullrich und Basso nicht dabei

  • Tom Mustroph, Straßburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Schneller als erwartet lichtet sich das Favoritenfeld der Tour de France. Noch vor dem Startschuss am heutigen Sonnabend gaben die Teams von T-Mobile und CSC den Rückzug ihrer Spitzenfahrer Jan Ullrich und Ivan Basso bekannt. Beide firmierten auch als Nummer eins (»Hijo Rudicio«) und zwei (»Birillo«) auf der Klientenliste des spanischen Blutverbesserungsexperten Eufemiano Fuentes. So jedenfalls steht es in der 500 Seiten starken Akte, die am Freitag dem spanischen Sportminister Jaime Lissavetzky übergeben wurde. Der hatte auch die Tourorganisatoren der A.S.O. informiert, von denen T-Mobile Faxe übermittelt bekam, »aus denen eindeutig hervorgeht, dass Jan Ullrich, Oscar Sevilla und der sportliche Leiter Rudy Pevenage in Kontakt mit Eufemiano Fuentes standen«, erklärte Teamsprecher Stefan Wagner. »Die Haltung des Sponsors war immer unmissverständlich. Wir tolerieren kein Doping«, so Wagner weiter. »Wer in den Verdacht gerät, Dopingmittel genommen zu haben, von dem trennen wir uns. Die Fakten stehen in erheblichem Widerspruch zu den Beteuerungen der drei.« Festzuhalten bleibt aber auch, dass nach gegenwärtiger Informationslage Ullrich kein Doping nachgewiesen wurde - sieht man von dem Amphetamin-Konsum 2002 und den beim Giro 2001 gefundenen Kortekoiden ab. Letztere wurden mit der Einnahme eines Anti-Asthma-Mittels legitimiert. Die Entscheidung von T-Mobile hat große Konsequenzen im Radrennsport. Der Spitzenmann wird vor dem wichtigsten Rennen der Saison aufgrund von Verdachtsmomenten aus dem Verkehr gezogen. Es wird nicht gemauert, beschwichtigt, mit juristischen Spitzfindigkeiten vertröstet. Ultraliberale könnten nun jubilieren: »Der Markt, hier der Markt der Werbewirkung, richtet doch alles.« Bisher sah die Realität jedoch anders auch: Gerade der im Mittelpunkt des Skandals stehende Würth-Konzern kämpft hart um den Fortbestand des Teams von Manolo Saiz. US Postal und Discovery Channel hielten stets an Lance Armstrong fest, obwohl gegen ihn ähnlich schwerwiegende Vermutungen im Raum standen. In der Nach-Armstrong-Ära macht nun jedoch das Beispiel T-Mobile eventuell Schule. Kurz nach dem vorläufigen Aus für Ullrich (ein negativer DNA-Test könnte für ihn wieder den Weg zurück öffnen) und Sevilla wurde auch der Rückzug der beiden Spanier Francisco Mancebo (AG2R) und Joseba Beloki (Astana-Würth) sowie des Giro-Gewinners Ivan Basso verkündet. Weitere Fahrer, deren Start nun wieder fraglich ist, sind die Spanier Marcos Serrano, David Etxebarria, Angel Vicioso, Isidro Nozal, Unai Osa (alle Astana-Würth), Constantino Zaballa (Caisse d'Epargne-Illes Balears), Carlos Zarate (Saunier Duval) und der Italiener Michele Scarponi (Astana-Würth). Als erster Rennstall hatte der in den letzten Jahren wiederholt von Dopingvorfällen heimgesuchte Phonak-Rennstall die Reißleine gezogen und Santiago Botero (Kolumbien) sowie den Zweiten des diesjährigen Giro Jose Enrique Gutierrez (Spanien) aus der Mannschaft genommen. Jörg Jaksche, der in den Unterlagen als »Bella Jorg« auftaucht und noch im Mai 2006 die letzte frische Blutladung erhalten haben soll, hatte seinen Startverzicht bereits zuvor wegen einer Viruserkrankung erklärt. Bei Fahrern und Betreuern machten sich Schreck und Entsetzen aufgrund der jüngsten Entwicklung breit. »Man muss sich ja fast schämen, noch diesen Sport zu betreiben«, wurde von Erik Zabel vermeldet. Ullrichs Ex-Trainer Peter Becker war völlig aufgelöst: »Da hat man eine Höhenkammer für 120 000 Euro im Keller, damit kann man alles auf saubere Art und Weise erreichen, und trotzdem fällt er diesen Strolchen und Betrügern in die Hände. Wer hat ihn beraten, seit ich nicht mehr bei ihm bin? Er ist eigentlich alt genug, um zu wissen, wem er sich anvertraut. Ich möchte es einfach noch nicht glauben.« Um dieser Plage Herr zu werden, müsse man »hart durchgreifen und bestrafen. Nur das hilft«, empfahl Sean Yates, der sportliche Leiter von Discovery Channel, beim diesjährigen Giro. Andreas Klöden rückt nun nach dem Rückzug von Ullrich unverhoffterweise vom Edelhelfer in die Position des Mitfavoriten. »Andreas hat zwar keine Ergebnisse eingefahren, befindet sich jedoch in einem hervorragenden Zustand. Von ihm erwarte ich viel bei der Tour«, blickte dessen Trainingsmethodiker Thomas Schediwie voraus. Ob man jedoch so schnell wieder vom rein Sportlichen reden kann, ist derzeit mehr als fraglich.
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