DFB-Elf schickt »Gauchos« in den Sommerurlaub

Team von Bundestrainer Jürgen Klinsmann ringt WM-Mitfavorit Argentinien nach Elfmeterschießen mit 4:2 nieder

  • Matthias Koch, Berlin
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Spuk ist vorbei. Nach sechs Jahren konnte die deutsche Nationalelf mit Argentinien wieder eine namhafte Fußball-Nation bezwingen. Dass dafür ein Elfmeterschießen herhalten musste, schmälert den grandiosen Erfolg der DFB-Kicker nicht. Umjubelter Lohn war der Einzug ins Halbfinale, in dem die Mannschaft von Bundestrainer Jürgen Klinsmann am Dienstag in Dortmund auf den Sieger der Begegnung zwischen Italien und der Ukraine (n. Red.) trifft.
Es war zwar »nur« das Viertelfinale, doch in der Historie der deutsch-argentinischen Duelle bei Weltmeisterschaften, das 1:1 der DDR gegen die Südamerikaner 1974 eingerechnet, kam die Partie am Freitag im Berliner Olympiastadion vom Stellenwert her den Endspielen von 1986 und 1990 schon sehr nahe. Den Respekt der Teams voreinander konnten die 72 000 Zuschauer im Stadion und Millionen Fans vor den Fernsehern und Großbildleinwänden beinahe in jeder Sekunde spüren. Bei den Argentiniern herrschte nach dem Spiel Trauerstimmung. Nach dem WM-K.o. kündigte Trainer Jose Pekerman seinen Rückzug an. »Ich denke, das war's. Das Kapitel ist abgeschlossen.«
Die Furcht vor dem Ausscheiden ließ über weite Strecken kaum schöne Spielzüge zu. Der deutschen Elf, bei der der übermotivierte Angreifer Lukas Podolski bereits in der 3. Minute verwarnt werden musste, konnte diesmal nicht so einfach wie im Achtelfinale gegen Schweden (2:0) zum Sturmlauf ansetzen. Argentinien erwies sich im Abwehrverhalten viel stärker als die Skandinavier. Nur selten in der ersten Hälfte fanden die Akteure des Gastgebers die eine Torchance ergebende Lücke.
Genau genommen musste Argentiniens Schlussmann Roberto Abbondanzieri nur bei einem 23-Meter-Freistoß von Podolski (7.) eingreifen. Beim Kopfball von Kapitän Michael Ballack (16.) nach einer Eingabe von Bernd Schneider hatten die größtenteils deutschen Fans den Torschrei schon auf den Lippen. Doch die Kugel flog knapp am rechten oberen Dreiangel vorbei. Weiterhin versuchte sich der Hannoveraner Verteidiger Per Mertesacker mit einem Drehschuss (18.), der jedoch über den Kasten ging.
Argentiniens Coach Pekerman hatte seine Startelf gegenüber dem knappen Achtelfinalsieg gegen Mexiko (2:1 nach Verlängerung) auf drei Positionen verändert. Der stämmige Angreifer Carlos Tevez ersetzte Javier Saviola. In der Abwehr musste Lionel Scaloni Fabricio Coloccini weichen. Im defensiven rechten Mittelfeld agierte Luis Gonzalez für Esteban Cambiasso. Die Umstellungen fruchteten zumindest in einer Beziehung nicht. In der ersten Hälfte besaß der zweifache Weltmeister keine einzige Torgelegenheit - auch weil die deutschen Akteure Spielmacher Juan Riquelme und dem linken Mittelfeldspieler Juan Sorin kaum Freiraum ließen.
Die Pattsituation fand nach der Pause ein jähes Ende, als Roberto Ayala praktisch aus dem Nichts das 1:0 für Argentinien erzielte (49.). Bei seinem Kopfball im Anschluss an einen Eckball des überraschend früh ausgewechselten Riquelme kam Deutschlands bester Stürmer Miroslav Klose den berühmten Schritt zu spät.
Danach wurde das Spiel nicht unbedingt besser, aber offener. Eine Schusschance von Michael Ballack (64.), dem einige unnötige Ballverluste unterliefen, beendete zumindest den Schockzustand seiner Mitspieler - zumal Argentiniens verletzter Keeper Abbondanzieri kurz darauf durch Leonardo Franco ersetzt werden musste.
Trotz der Einwechslung offensiver Spieler auf deutscher Seite mit David Odonkor und Tim Borowski schien Argentinien jedoch zunächst dem 2:0 näher zu sein, als Maxi Rodriguez nur das Außennetz traf (73.). Zehn Minuten vor Spielende wurden die Gebete der deutschen Fans erhört, als Miroslav Klose die Kopfballverlängerung Borowskis nach Ballack-Eingabe zum umjubelten 1:1 einköpfte.
In der Verlängerung durfte Klose dann aber nicht mehr mitmischen. Klinsmann hatte ihn schon vor Ablauf der regulären 90 Minuten durch Oliver Neuville ersetzt. 30 Minuten lang neutralisierten sich die kämpferisch alles bietenden Mannschaften wie zu Beginn des Spiels. Mehr als die Chancen für die Argentinier Luis Gonzales (105.) und Fabricio Coloccini (115.) sprangen nicht heraus.
Die Entscheidung musste im Elfmeterschießen fallen. Jens Lehmann, dem Oliver Kahn demonstrativ Glück wünschte, parierte die Bälle von Roberto Ayala und Esteban Cambiasso und stieg zum »Helden von Berlin« auf.

Deutschland: Lehmann - Friedrich, Mertesacker), Metzelder, Lahm - Schneider/ (62. Odonkor), Frings, Ballack, Schweinsteiger (74. Borowski) - Klose (86. Neuville), Podolski.
Argentinien: Abbondanzieri(72. Franco) - Coloccini, Ayala, Heinze, Sorin - Gonzalez, Mascherano, Maxi Rodriguez - Riquelme
(72. Cambiasso) - Tevez, Crespo (79. Cruz).
Tore: 0:1 Ayala (49.), 1:1 Klose (80.)
Elfmeterschießen: 1:0 Neuville, 1:1 Cruz, 2:1 Ballack, Lehmann hält gegen Ayala, 3:1 Podolski, 3:2 Maxi Rodriguez, 4:2 Borowski, Lehmann hält gegen Cambiasso.
Schiedsrichter: Lubos Michel (Slowakei). Zuschauer: 72 000 (ausverkauft).
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