Erste Probleme im Gentechnik-Paradies Südbrasilien
In Brasilien landen seit Jahren vor allem Mais aus dem Labor im Essen - Schädlinge auf den Feldern entwickeln Resistenzen
Mais gehört neben Bohnen und Reis zu den wichtigsten traditionellen Grundnahrungsmitteln in Brasilien. Doch was auf den Teller kommt, stammt inzwischen zum größten Teil aus den Labors der Chemie- und Gentechnikfirmen wie BASF, Bayer, Monsanto, Syngenta und DuPont/ Pioneer. Vor allem Bt-Mais, in den Gene des Bacillus thuringiensis (Bt) eingeschleust wurden, der Schädlinge wie den Maiszünsler und den Maiswurzelbohrer abtöten soll, ist bei Brasiliens Bauern und Großgrundbesitzern beliebt, gerade auch im Fruchtwechsel mit ebenfalls gentechnisch veränderten Sojasorten. Als Folge davon sind nicht nur die Futtertröge der Schweine- und Hühnermäster, sondern ebenso die Regale der Supermärkte und Krämerläden voll mit Genmais und seinen Verarbeitungsprodukten.
Nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind Maismehl und andere Maisprodukte mit der Aufschrift: »enthält Gene des Bacillus thuringiensis und/oder Streptomyces viridochromogenes und/oder Agrobacterium tumefaciens und/oder Zea mays«. Diese gesetzlich verlangte Produktkennzeichnung ist allerdings nur für wenige Brasilianer verständlich - nicht zuletzt eine Folge des unterfinanzierten Schulsystems.
Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und Ex-Umweltministerin Maria Silva leiteten den Siegeszug der »grünen« Gentechnik ein. Seit Vergabe der ersten Verkaufslizenzen im Jahr 2007 durch die Nationale Biosicherheitskommission hat sich der »Frankenstein-Mais« rasch von Süd- nach Nord- und West-Brasilien verbreitet. Heute stammen über 80 Prozent der Maisproduktion des Landes aus gentechnisch verändertem Saatgut. Die Farmer können zwischen 18 zugelassenen Sorten wählen. Neben Bt-Mais wie MON810 von Monsanto und Sorte 1507 von Pioneer gibt es gentechnisch veränderten Mais, der gegen das Herbizid Glyphosat resistent ist.
Vor allem die südlichen Bundesstaaten Rio Grande do Sul, Paraná und Santa Catarina, wo deutsch- und italienischstämmige Soja-Bauern die Landwirtschaft dominieren, setzten frühzeitig auf Gentechnik. Nun scheinen sich dort die ersten, von Kritikern befürchteten Folgen einzustellen. Mehr und mehr würden die Felder von Bt-Gift-resistenten Raupen des Maiszünslers heimgesucht, beklagte schon im vergangenen Jahr der Agraringenieur Ivan Domingos Paghi von der Vereinigung der Produzenten genetisch nicht veränderten Getreides in Paraná.
Kürzlich wies im ARD-Magazin »Report München« der gentechnikkritische Agrarwissenschaftler Antonio Andrioli von der Universität Fronteira Sul in Santa Catarina darauf hin, dass gerade die mit der Sorte 1507 bestellten Felder darunter zu leiden hätten. »Nach zwei Jahren Erfolg, beim dritten Jahr jetzt schon die Katastrophe«, sagte Andrioli. »Die Bauern wissen gar nicht mehr, was sie machen sollen.« Der Wissenschaftler, der auch der Nationalen Biosicherheitskommission angehört, ist überzeugt, dass die Schäden noch zunehmen: je mehr Gentechnikanbau, desto resistenter die Insekten und Unkräuter.
Nichtsdestoweniger setzt Brasiliens Landwirtschaft weiter auf die Gentechnik. Der Maiszünsler wird jetzt zusätzlich wie früher per Giftspritze bekämpft. Auch das jüngst von einem Gericht ausgesprochene Verkaufsverbot des schon 2008 genehmigten Bayer-Maises Liberty Link wegen unzureichender Umweltstudien tut dem keinen Abbruch. Die Sorte wurde bisher noch gar nicht in Brasilien kommerzialisiert.
Zudem greift die Genrevolution auf den Feldern bereits auf die nächste Pflanze über: die Carioca-Bohne.
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