CDU droht mit Scheitern der Rente mit 63
Klöckner: Kompromiss ja, aber nicht Modell Nahles / Union malt Frühverrentungswelle an die Wand / SPD-Linke: Union führt Kampf gegen Arbeitslose
Berlin. Im Koalitionsstreit um die Rente mit 63 hat die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner der SPD mit einem Scheitern des Vorhabens gedroht. Klöckner sagte der »Saarbrücker Zeitung«, die Rente mit 63 stehe »als unser gemeinsamer Kompromiss im Koalitionsvertrag. Aber es steht nicht drin, dass sie nach dem Modell Nahles ausgestaltet wird.« Sollte der Koalitionspartner das nicht verstehen, »dann gibt es wohl keine Einigung und wohl keine Rente mit 63«. Die von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geplante Regelung sei für viele CDU- und CSU-Bundestagsabgeordnete ein Problem, sagte auch Fraktionschef Kauder (CDU) der »Bild«-Zeitung. »Dabei geht es besonders um die Anrechnung der Zeiten der Arbeitslosigkeit. Dies könnte zu einer Frühverrentungswelle führen«, so Kauder.
Die SPD will aber in der Sache hart bleiben. Parteichef Sigmar Gabriel verteidigte die Reformpläne in Berlin. »Ich finde, wir müssen das offensiv verkaufen.« Die Kritiker hätten in der Regel nie Schicht arbeiten müssen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann sieht trotz des massiven Widerstands in der Union Einigungschancen mit dem Koalitionspartner. »Ich glaube, wir werden uns am Ende vernünftig verständigen können - auf der Basis des Koalitionsvertrages«, sagte er am Sonntag in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin«. Oppermann stellte klar: »Wir wollen auch keine Frühverrentung.« Es dürfe keinen Missbrauch des geplanten Vorhabens geben - weder durch Arbeitgeber noch durch Beschäftigte. »Dagegen werden wir sicherlich geeignete Regelungen finden.«
Der Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, wies die Kritik der Union zurück und lehnte Änderungen ab. »Es ist erschütternd, dass es sich Teile der Union offenbar vorgenommen haben, in ihrem Kampf für die Durchlöcherung des Tarif- und Rentenpakets ihr Mütchen an den Arbeitslosen zu kühlen«, sagte er »Handelsblatt Online«. Nach den Regierungsplänen soll die Rente mit 63 nach 45 Beschäftigungsjahren möglich sein. Der Streit dreht sich nun darum, ob auch Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet werden sollen. Viele in der Union sind dagegen, einige drohten am Wochenende offen damit, den Gesetzentwurf im Bundestag abzulehnen.
Klöckner sagte, Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) handle verantwortungslos, »wenn der Gesetzentwurf handwerklich nicht so ausgestaltet wird, dass ein absehbarer Missbrauch unterbunden wird«. Sie sei persönlich gegen jegliche Anrechnung von Arbeitslosenzeiten. »Sollte es sie dennoch geben, dann nur sehr begrenzt.« Außerdem dürfe die Zeit der Erwerbslosigkeit keinesfalls am Ende eines Berufslebens stehen. »Sonst ist die Frühverrentungswelle vorprogrammiert«, betonte die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende.
Der Plan von Unionsfraktionschef Volker Kauder, mit der SPD noch einmal über die Details der Rente mit 63 zu verhandeln, stößt bei den Kritikern des Reformprojektes innerhalb der CDU auf Zustimmung. »Der vorliegende Gesetzentwurf ist für mich und viele meiner Kollegen nicht zustimmungsfähig, da er einer neuen Frühverrentungswelle Vorschub leistet«, sagte der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. Auch sein Parteifreund Jens Spahn befürchtet, dass das Gesetz ohne Anpassung in der Fraktion auf Ablehnung stoßen wird: »Wenn wir das nicht mehr ändern, wird es sicher eine Reihe Gegenstimmen geben«, sagte der Renten- und Gesundheitsexperte. Es dürfe keine neue Frühverrentungswelle wie in den 90er-Jahren geben, vor allem keine Quasi-Rente mit 61 über den zweijährigen Bezug von Arbeitslosengeld, warnte Spahn.
Derweil schreibt die »Rheinische Post«, die Anrechnung der Arbeitslosenzeiten bei der Rente ab 63, wie sie der Gesetzentwurf zum Rentenpaket aktuell vorsieht, werde knapp 700 Millionen Euro pro Jahr kosten. Dies ergebe sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Nach den Daten der Bundesregierung wären die Kosten »in etwa ein Drittel geringer«, würden »bei den Zugangsvoraussetzungen zur abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren nur Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und Berücksichtigungszeiten« eingerechnet. Insgesamt veranschlagt die Bundesregierung rund zwei Milliarden Euro an Kosten pro Jahr für die Rente ab 63 - ein Drittel entspricht knapp 700 Millionen Euro.
Wie auch aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, waren mehr als die Hälfte der möglichen Nutznießer der Rente ab 63 zwischenzeitlich arbeitslos. Nur 43,8 Prozent waren durchgehend erwerbstätig. 24,9 Prozent waren bis zu einem Jahr arbeitslos, 13,1 Prozent zwischen einem und zwei Jahren, 14,8 Prozent zwischen zwei und fünf Jahren und 3,4 Prozent länger als fünf Jahre. Agenturen/nd
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