Koalition bleibt uneins über Vorratsdatenspeicherung

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes: Maas (SPD) sieht keinen Grund für schnelle Neuregelung / de Maizière (CDU) drängt auf rasche Einführung

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Nach dem Nein des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung streiten die Koalitionspartner über die Frage, ob und wann die umstrittene Datenspeicherung auf Vorrat eingeführt werden soll. Union und SPD zogen in in ersten Reaktionen unterschiedliche Schlüsse aus dem Luxemburger Urteil. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte, mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die EU-Richtlinie sei auch die Grundlage für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Neuregelung der Datenspeicherung in Deutschland entfallen. «Es besteht jetzt kein Grund mehr, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen», erklärte Maas.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) machte hingegen klar, dass er weiterhin Handlungsbedarf sehe. «Ich dränge auf eine rasche, kluge, verfassungsmäßige und mehrheitsfähige Neuregelung», sagte er in Berlin. Alle Fachleute seien sich einig, dass eine Vorratsdatenspeicherung «zum Zwecke der Aufklärung schwerer Straftaten» geboten sei.

Vorratsdatenspeicherung in den Ländern der EU

Polen nimmt laut Brüsseler Statistiken einen Spitzenplatz beim Zugriff auf Vorratsdaten ein. Im Jahr 2012 fragten polnische Ermittler rund 1,7 Millionen Mal Kommunikationsdaten ab. Allerdings haben nur elf Länder in Brüssel Informationen zu 2012 eingereicht.

Deutschland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Umsetzungsregelungen 2010 gekippt, dabei jedoch nicht die Brüsseler Vorlage gerügt. In Tschechien und Rumänien hatten die Verfassungsgerichte die Gesetze ebenfalls gekippt – die beiden Länder haben inzwischen aber neue Regelungen. Belgien hat sein lückenhaftes Gesetz kürzlich vervollständigt.

Verfassungsbeschwerden laufen in Irland, Österreich, Polen, der Slowakei, Ungarn und Slowenien.

Irland und Italien speichern Daten zwei Jahre lag, Telefondaten dabei länger als internetbezogene.

Österreich, Litauen, Luxemburg und einige weitere Länder speichern Daten nur für sechs Monate. Die meisten EU-Staaten haben sich hingegen für eine Speicherdauer von einem Jahr für alle oder Teile der Daten entschieden. epd/nd

Der EuGH hatte zuvor geurteilt, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gegen Grundrechte der Bürger verstößt und reformiert werden muss. Die Richter hatten die verdachtslose Speicherung und Verarbeitung von Milliarden privater Kommunikationsdaten als grundrechtswidrig gerügt. Die aktuelle EU-Richtlinie beinhalte «einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten. Demnach muss die verdachtlose Speicherung von Verbindungsdaten von Telefon, Internet und E-Mail künftig »auf das absolut Notwendige beschränkt« werden.

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte eine neue Grundsatzdebatte zur Vorratsdatenspeicherung. Die Feststellung des EuGH, dass die entsprechende EU-Richtlinie gegen die europäische Grundrechtecharta verstoße und reformiert werden müsse, sei eine »Zäsur«, sagte FDP-Politikerin in Straßburg. Dies sei eine »Riesenchance«. Gerade die Ausspähaffäre des US-Geheimdienstes NSA zeige, dass mit dem massenhaften Ansammeln von Daten Schluss gemacht werden müsse. »Nun ist Zeit für Umkehr«, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Notwendig sei eine »Balance zwischen Freiheit und Sicherheit«. Es müsse der »eherne Grundsatz« gelten, dass Daten von Bürgern nur gespeichert werden dürfen, wenn gegen sie ein begründeter Verdacht bestehe.

Die EU-Kommission hatte Deutschland mit einem Zwangsgeld gedroht, sollte es die Richtlinie aus dem Jahr 2006 nicht umsetzen. »Zwangsgelder drohen nicht mehr«, erläuterte Maas. Er wolle nun mit dem Koalitionspartner Union neue Gespräche über das Thema Vorratsdatenspeicherung aufnehmen. »Wir werden das weitere Verfahren und die Konsequenzen ergebnisoffen besprechen.« Die Union hatte sich seit Jahren vehement für die Datenspeicherung auf Vorrat eingesetzt, um Kriminalität auf diese Weise angeblich besser verfolgen zu können. Agenturen/nd

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