Es fährt ein Boot nach nirgendwo
Deutschland schützt C-Waffenzerstörung mit deutscher Fregatte / LINKE uneins über Kurs
Selten erfreut sich die Linksfraktion im Bundestag solch aufmunternder Zuwendung wie am Mittwoch. Konservative Abgeordnete, die den Kollegen zur Linken gewöhnlich nicht über den Weg trauen, wenn es um staatspolitische Verantwortung geht, mahnten heute fast händeringend zu derselben. Die Zeit schien gekommen, die Fraktion auf den rechten Weg zu bringen. Denn es ging um den seltenen Fall, dass Abrüstungsforderungen der LINKEN auf einen Antrag der Bundesregierung traf, der die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen zum Inhalt hat - die Entsendung einer deutschen Fregatte als Begleitschutz bei der UNO-Mission zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen im Mittelmeer. Die SPD als Regierungsfraktion sowieso, aber auch die Grünen hatten bereits ihr Plazet signalisiert.
Doch im Vorfeld waren Stimmen auch in der LINKEN laut geworden, dass eine Abrüstungsmaßnahme wie diese die Unterstützung der eigenen Fraktion verdiene. Fraktionschef Gregor Gysi hatte versucht, die Fraktion geschlossen auf eine Enthaltung als Kompromiss festzulegen, was ihm allerdings nicht gelang. Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion, teilte nunmehr vor dem Plenum des Bundestages mit, die Fraktion habe ihren Mitgliedern nach ausführlicher Debatte die Entscheidung freigestellt. Es gebe »sehr viele, sehr gute Argumente« - dafür wie auch dagegen. Er selbst werde sich dennoch der Stimme enthalten. Denn so richtig und wichtig es sei, Chemiewaffen zu vernichten, könne man die Aktion doch nicht isoliert betrachten. Der hier zu entscheidende Einsatz werde begleitet von weiteren Einsätzen in Somalia und Zentralafrika, über die der Bundestag in dieser Woche ebenfalls abstimme.
Die von der LINKEN vorgebrachten Bedenken auseinanderzunehmen, hatte sich der Vizefraktionsvorsitzende der SPD Rolf Mützenich vorgenommen. Mit der Resolution 2118 des UNO-Sicherheitsrates liege eine Einladung an die Bundesrepublik vor, ein Schutz des US-Spezialschiffs US-Spezialschiffs »Cape Ray« sei keinesfalls unnötig, und die USA zu unterstützen, diene der Einbindung vieler Partner. Russland werde entgegen mancher Kritik nicht ausgeschlossen, die »Tür steht weit offen«. Die LINKE habe es selbst versäumt, merkte Mützenich zudem an, entsprechende Debatten über offene Fragen im Bundestag anzustoßen.
»Enthaltung ist keine Haltung, Herr van Aken - da muss gehandelt werden«, warf dem Redner der LINKEN Johann Wadephul (CDU) vor. Was könne denn pazifistischer sein als die Vernichtung von Waffen. Die Ausweitung des Aktionsgebietes vom Mittelmeer in den Nordatlantik wie auch der Umgang mit Russland seien hingegen »sekundäre Fragen«.
Und Omid Nouripour von den Grünen fragte van Aken, was denn Somalia mit der Vernichtung von C-Waffen aus Syrien zu tun habe. Von Thorsten Frei (CDU) durften sich die Zögernden bei der LINKEN vorhalten lassen, sich in die Büsche zu schlagen. Und seine Fraktionskollegin Julia Bartz beschwor die LINKE, die Chance zu nutzen, ihre »ideologische Blockadehaltung zu überwinden und die Chemiewaffenvernichtung zu unterstützen«. Sie sehe »keinen einzigen sachlichen Grund« das nicht zu tun. Anders als 35 Abgeordnete es in der namentlichen Abstimmung taten, die mit Nein stimmten. Hinzu kamen 19 Enthaltungen. Fünf Linke stimmten mit Ja. Foto: photocase/complize
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.