Proteste gegen Steuervermeider
Das Netzwerk Attac will mit Aktionen vor Ikea-Filialen auf das fragwürdige Geschäftsmodell des Konzerns aufmerksam machen
Ingvar Kamprad, der Gründer des Ikea-Imperiums, hat nie verheimlicht, dass er ungern Steuern zahlt. Der 86-Jährige lebte jahrzehntelang in der Schweiz, weil ihm die Steuern in seinem Geburtsland Schweden zu hoch waren. Kamprad spricht gern von einer »optimierenden Struktur« des Konzerns. Konkret gesagt: Um Steuern zu umgehen, nutzt er alle Möglichkeiten wie Steueroasen, Gewinnverschiebungen durch Zinsen, Kreditgeschäfte oder die Vermischung von Privat- und Firmenvermögen. Als »Mutter aller Steuersparmodelle« bezeichnet Karl-Martin Hentschel, Grünen-Politiker und Autor einer Attac-Studie, die Praktiken bei Ikea.
Diese Steuervermeidungspraxis stehe dem Image der »vorbildlichen skandinavischen Firma« entgegen, »die für eine bessere, gerechtere und nachhaltigere Welt kämpft und ihre Kunden duzt«, so Hentschel in seiner Studie »Das Modell Ikea«. »Tatsächlich ist Ikea aus Steuergründen mit zentralen Gesellschaften in den Niederlanden, mit seiner Bank in Luxemburg, mit einer seiner Stiftungen in Liechtenstein angesiedelt. Ikea-Finanztöchter sind auch in der Karibik auf den British Virgin Islands zu finden, auf Zypern und in Curacao«, heißt es im Attac-Aufruf.
Auch anlässlich der Europawahlen fordern die Aktivisten eine neue Debatte über Unternehmensbesteuerung. Seit 2001 werde in Europa darüber diskutiert, 2011 hatte das EU-Parlament dazu eine Richtlinie verabschiedet, die allerdings vom EU-Rat nie umgesetzt wurde, so Hentschel.
Die Attac-Arbeitsgruppe zu Finanzmärkten und Steuern favorisiert das Modell der Gesamtkonzernbesteuerung (Unitary Taxation). Dabei wird ein Konzern als Einheit betrachtet und muss sämtliche Aktivitäten aller Töchter offenlegen. Als nächster Schritt wird der Gewinn des Konzerns nach diesen realen Aktivitäten den einzelnen Ländern zugeordnet. Dann werden diese Gewinne mit dem nationalen Steuersatz belastet. »Auf diese Weise ist es egal, wo die Gewinne anfallen, welche internen Verrechnungspreise der Konzern benutzt, wie viele Zinsen oder Lizenzgebühren von einem Land in das andere überwiesen werden, wo das Unternehmen investiert«, so Attac.
Auf Ikea übersetzt hieße das, dass es steuerrechtlich überflüssig wäre, dass die Möbelmärkte drei Prozent des Umsatzes als Lizenzgebühren an das Franchiseunternehmen »Inter IKEA Systems BV« zahlen, das in den Niederlanden als Entwicklungsfirma nur fünf Prozent Steuern zahlt. Auch das Ausweisen von Gewinnen in Steueroasen, in denen die Unternehmen sonst nicht wirtschaftlich tätig sind, hätte keine Vorteile mehr. Dahinter steht auch, dass der Wert eines Gegenstandes heute nicht mehr allein über den Produktionswert bestimmt werde. »Ikea ist auch ein Lebensgefühl«, sagt Hentschel. Das Image, also den immateriellen Wert zu bestimmen, spiele eine immer wichtigere Rolle. »Hier ist das System der Verrechnungsrichtlinien zur Bestimmung des Eigenkapitals völlig veraltet.«
Aktuell beschäftigen sich die G20-Staaten mit der Steuerflucht internationaler Konzerne. Sie haben die OECD beauftragt, einen Aktionsplan zu entwickeln. »Soweit wir wissen, will die OECD keinen Systemwechsel«, erklärt Hentschel. Die Gesamtkonzernbesteuerung hat wohl noch einen weiten Weg vor sich. Dabei wird sie in den USA und Kanada bereits seit Jahrzehnten angewandt. Die Vereinigten Staaten wollten damit verhindern, dass Konzerne über Nachbarbundesstaaten Gewinne verschleiern.
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