Lohndrückerei startet durch

EU-Parlament beschäftigt sich mit miesen Arbeitsbedingungen bei Billig-Airlines

  • Hans-Gerd Öfinger, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
In Europa bestreiten Ryanair und Co. 44 Prozent des Fluggastaufkommens. Das geht zu Lastender Beschäftigten.

Während sich Fluggäste über niedrige Ticketpreise und Kommunalpolitiker über eigene Regionalflughäfen freuen, sehen Beschäftigte und Gewerkschafter als Folge des Booms der Billigflieger viel Schatten. Bei einer Anhörung der Linksfraktion GUE/NGL am Donnerstag im EU-Parlament in Brüssel brachten Flugbegleiter, Piloten, Beschäftigte bei Bodendiensten an Verkehrsflughäfen und Experten alltägliche Erfahrungen mit Billigfluggesellschaften auf den Punkt.

In der Luftfahrtbranche setzten sich zunehmend prekäre Arbeitsbedingungen durch, so der Grundtenor vieler Wortbeiträge. Ein großer Teil des Flugpersonals in Europa lebe mit befristeten Arbeitsverträgen und in ständiger Angst vor Arbeitslosigkeit. Allein die irische Ryanair setze über ein Geflecht von Subunternehmen mittlerweile europaweit mindestens 220 Piloten ein, die als »Direktoren« von Miniunternehmen formal selbstständig seien, erklärte François Ballestrero von der Europäischen Transportarbeiterförderation (ETF). Solche Piloten könnten sich nicht voll auf ihren Job konzentrieren und würden zum Sicherheitsrisiko, so die dänische EU-Abgeordnete Rina Ronja Kari. »Die Leute gehen aus Angst oftmals auch krank zur Arbeit«, erklärte Vegard Einan von der norwegischen Luftfahrtgewerkschaft Parat.

»Es gibt einen europaweiten Luftverkehrsmarkt, aber die Sozialgesetzgebung hinkt hoffnungslos hinterher«, erklärte Peter Turnbull, Professor an der Universität Cardiff. Europa rangiere mit einem 44-Prozent-Anteil der Billigflieger am Fluggastaufkommen mit deutlichem Abstand vor anderen Kontinenten. Gesellschaften wie Ryanair hätten durch Lohndumping, Prekarisierung und Abwälzung von Kosten auf die Beschäftigten und die Allgemeinheit Vorteile von bis zu 50 Prozent. Oftmals würden Aufwendungen für Ausbildung, Übernachtung und Dienstkleidung vom Lohn abgezogen. Zudem unternähmen Gesellschaften wie Ryanair alles, um den Betrieb möglichst als »gewerkschaftsfreie Zone« zu erhalten. Das Modell der Billigflieger stütze sich vielfach auf Steuerflucht und Bilanzmanipulation, meinte die Dänin Tove Maria Ryding von der Globalen Allianz für Steuergerechtigkeit. Zudem hielten sie stets die Hand auf für direkte und indirekte öffentliche Gelder, so Geraint Harvey von der Universität Birmingham.

»Schlimmer geht immer«, erklärte ein italienischer Gewerkschafter und berichtete über anhaltenden Lohndruck beim Kabinenpersonal, das schon jetzt mit einem Bruttoeinkommen von 1200 Euro auskommen muss. Bis zu 65 Stunden in der Woche an Bord, ständige Zeitverschiebung, Druck auf den Ohren und schlechte Luft gefährdeten die Gesundheit, beklagte eine italienische Flugbegleiterin.

»Bei der Sicherheit darf es keine Abstriche aus Profitinteressen geben«, erklärte die deutsche EU-Abgeordnete Sabine Wils (LINKE). Schließlich sei schon heute jeder fünfte Zwischenfall am Boden und in der Luft auf völlig übermüdete Piloten zurückzuführen. José Rocamora von der französischen Gewerkschaft CGT befürchtet ein Verschwinden nationaler Fluggesellschaften, die zunehmend von Billigfliegern verdrängt würden. Damit gerieten Abertausende Arbeitsplätze in Gefahr und es drohe ein Verlust nationaler Kontrolle über den Luftverkehr.

François Ballestrero kündigte einen Vorstoß der ETF nach der anstehenden Europawahl an. So werde die ETF in einem Zehn-Punkte-Programm gegenüber EU-Parlament und Kommission auf die Anerkennung von Gewerkschaftsrechten und nationaler Sozialgesetzgebung drängen sowie wirksame Regelungen gegen den Missbrauch von Zeitarbeit, Scheinselbstständigkeit und anderen Formen prekärer Arbeit einfordern. Auch setzt sich die ETF für die Einführung von sozialen Schutzstandards bei Ausschreibungen von Bodenverkehrsdiensten ein.

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