»Mach mit und bewege«
Auch das Europaparlament kämpft um Wähler
Im Brüsseler EU-Viertel sind derzeit die Gesichter vieler Europäer präsent. Es sind eindrucksvolle Porträts ganz normaler Menschen: Kinder, Männer und Frauen, Alte, Weiße, Schwarze. Sie alle eint dieser eindringliche Blick. Er soll sagen: Mach mit. Gemeinsam schaffen wir es.
Das ist auch die Botschaft, die das Europäische Parlament unters Wahlvolk bringen will: »Handeln. Mitmachen. Bewegen.« steht auf dem Werbematerial des Parlaments und unter den vielen Porträts. So kann man es auf der Wahlwebseite in 24 Sprachen lesen, es wird getwittert und gepostet. »Unser Wahlslogan ist eine Aufforderung an die Wähler«, erklärt der Österreicher Otmar Karas, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Abgeordneter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP).
Bisher waren die Europäer nur mit Mühe an die Wahlurnen zu bewegen. In Deutschland - wie in den anderen Mitgliedsstaaten - ist die Europawahl die unbeliebteste Wahl überhaupt. Gerade mal 43,3 Prozent der Wahlberechtigten setzten 2009 ihr Kreuz. Dass die EU es seitdem nicht geschafft hat, sich in die Herzen der Wähler zu brennen, ist bekannt. Und das, obwohl die Abgeordneten über Facebook und Twitter besser erreichbar sind als je zuvor.
»Diesmal ist es anders«, heißt es auf dem Werbematerial. Der Ausspruch bezieht sich eigentlich darauf, dass die Wahl eines Parlaments mit erweiterten Funktionen und mehr Macht ansteht. Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon können die Abgeordneten Beschlüsse des Europäischen Rats ablehnen oder ändern, über internationale Abkommen und den Haushalt mitbestimmen. Zudem haben sie ein Mitspracherecht bei der Besetzung des EU-Kommissionspräsidenten.
In der gegenwärtigen Situation passt der Ausspruch »Diesmal ist es anders« aber auch zum Zustand der EU insgesamt. Immer lauter wird der Ruf nach der Grundsatzfrage: Wollen wir mehr oder weniger Europa - ein besseres Europa oder gar keines? Je mehr EU-Skeptiker ins EU-Parlament gewählt werden, desto dunkler die EU-Zukunft. Genau darauf möchte das Parlament aufmerksam machen. Justizkommissarin Viviane Reding sagt es so: »Zukunft ist kein Zufall. Zukunft ist wählbar.«
Wenn man die eindringlichen Blicke der vielen Europäer auf den Plakaten im Brüsseler EU-Viertel genauer betrachtet, erkennt man in ihnen noch etwas: Verletzlichkeit. Es sind Blicke, die sagen: Mein Schicksal liegt in deiner Hand. Tatsächlich entscheidet der Ausgang der Europawahl über die Europapolitik der kommenden fünf Jahre und damit auch über die künftige Richtung der EU.
Die Wahl möge als Chance begriffen werden, fordert daher der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber: »Erstmals haben die Wähler die Chance, direkt über das politische EU-Spitzenpersonal mitzubestimmen. Damit bekommt die EU endlich Gesichter, und die Politik kann ganz anders mit Menschen verbunden werden.«
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