Die Angst ist groß
Flüchtlinge diskutierten mit Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann / Zukunft der besetzten weiter Schule unklar
»Denken Sie an die Kinder, die im Flüchtlingslager leben müssen. Ihre Eltern dürfen nicht arbeiten und nicht verreisen.« Die Stimme von Amir ist brüchig. Der Flüchtling aus Ruanda sprach am Dienstagabend vor dem voll besetzten Saal im Kreuzberger Club SO 36. Der politische Bildungsverein Helle Panke hatte zur Diskussion über die europäische und deutsche Asylpolitik geladen. Gekommen sind die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak (Linkspartei), der Sprecher der Flüchtlingsaktivisten vom Oranienplatz, Turgay Ulu, der Flüchtling Darlington sowie Marius vom Unterstützerkreis der von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule.
»Die Veranstaltung war schon länger geplant. Durch die Räumung des Oranienplatzes durch einen Teil der Flüchtlinge gegen den Willen ihrer Mitstreitenden hat diese aber nochmals an Brisanz gewonnen«, erklärte Fabian Kunow von der Hellen Panke. Tatsächlich lagen die Nerven an dem Abend blank. Monika Herrmann klagte die »rassistische Asylpolitik« an und lobte die Flüchtlinge, weil sie Druck auf die Politik machten, um Gesetze zu ändern. Deshalb setze sie sich dafür ein, dass das Protestzelt der Flüchtlinge wieder aufgebaut wird. Allerdings stellte Herrmann auch klar, dass Übernachtungen auf dem Oranienplatz nicht mehr zugelassen werden.
»Wir brauchen kein BlaBla, sondern Hilfe«, widersprach ein Flüchtling unter Applaus. Auch Politikerinnen wie Monika Herrmann seien für ihn das Problem. Halina Wawzyniak kam in der erregten Debatte nur selten zu Wort. Sie stellte das Ergebnis eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vor, das den Flüchtlingen Hoffnungen macht. Es kommt zu dem Schluss, dass den obersten Landesbehörden bei einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Aufenthaltsgesetz »zur Wahrung der politischen Interessen ... ein weiter politischer Beurteilungsspielraum eingeräumt« wird. Jedoch wurde darauf in der Diskussion nicht weiter eingegangen.
Eine große Rolle nahm die Zukunft der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule ein. Wie groß die Angst vor dem Verlust ihrer Unterkunft ist, machte die Romafrau Maria in einen kurzen Redebeitrag deutlich. Ihr Sohn habe die Schule freiwillig verlassen und einen der angebotenen Heimplätze angenommen. Dort allerdings werde um 22 Uhr abgeschlossen, danach dürfen keine Besuche mehr empfangen werden. »Wir wollen auch frei leben«, erklärte die Frau.
Herrmann betonte, dass der Bezirk keine Absicht habe, die Schule zu räumen, und erläuterte das Konzept eines selbstorganisierten Zentrums der Flüchtlingsinitiativen, das nach dem Willen des Bezirks in der Schule entstehen soll. »Aber eine Dusche wird trotz dringendem Bedarf nicht eingebaut«, rief eine Bewohnerin. Nach mehr als zwei Stunden beendete der Moderator die Diskussion. Die Fronten zwischen Herrmann und den Flüchtlingsaktivisten blieben verhärtet. Anschließend zogen viele der Diskussionsteilnehmer in einer Spontandemonstration zum Oranienplatz, wo sich mehrere Flüchtlinge im Hungerstreik befinden. Zu ihren Forderungen gehören die Umwandlung der besetzten Schule in ein politisches Zentrum der Geflüchteten und ein Bleiberecht für alle Flüchtlingsaktivisten.
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