Gustavo Petro wieder in Amt und Würden

Bogotás geschasster Bürgermeister wird durch ein Berufungsgericht vorerst wieder eingesetzt

  • David Graaff, Bogotá
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Berufungsgericht von Bogotá hat angeordnet, Gustavo Petro wieder als Bürgermeister einzusetzen. Für Präsident Santos bedeutet diese Entscheidung mitten im Wahlkampf eine Niederlage.

»Kolumbianer, die Waffen haben euch die Unabhängigkeit gegeben, die Gesetze werden euch die Freiheit bringen.« So steht es in großen Lettern über dem Eingang zum Justizpalast auf der Plaza Bolívar im Zentrum Bogotás. Doch der Ausspruch Francisco de Paula Santanders, neben Simón Bolívar einer der wichtigsten Kämpfer für Kolumbiens Unabhängigkeit, trifft derzeit in der Hauptstadt kaum zu. Denn statt der Freiheit hat die Juristerei den Bewohnern der Millionenmetropole diese Woche einen weiteren Akt in einem mehrmonatigen politisch-juristischen Tauziehen um das zweitwichtigste Amt des Landes beschert. Am Dienstag traten zwei Richter in Bogotá aufs Parkett und ordneten an, den linken Bürgermeister Gustavo Petro wieder einzusetzen, nachdem ihn die Staatsanwaltschaft für Disziplinarfragen im Dezember 2013 wegen Problemen bei der Umstellung des öffentlichen Müllentsorgungssystems seines Amtes enthoben hatte.

Das Urteil ist ein Affront für die Hauptstadtelite, allen voran Staatspräsident Juan Manuel Santos. Der hatte im März eine Aufforderung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) abgelehnt, die Amtsenthebung Petros auszusetzen. Doch die Verfügungen der CIDH, eines Organs der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), seien bindend, entschieden jetzt die Richter des hauptstädtischen Berufungsgerichts. Santos musste nachgeben und unterzeichnete am Mittwoch den entsprechenden Erlass mit hörbarem Zähneknirschen. »Ich habe keine andere Möglichkeit, es ist meine Pflicht. Einigen mag das gefallen, anderen nicht«, sagte er im Präsidentenpalast.

Für das Staatsoberhaupt ist der Richterspruch eine Niederlage. Santos hatte sich als Retter Bogotás inszenieren wollen und in der Person von Arbeitsminister Rafael Pardo einen Vertrauten zum Übergangsbürgermeister ernannt. Den Präsidenten hat diese Entscheidung mitten im Kampf um seine Wiederwahl Sympathien gekostet. Seine Umfragewerte fielen. Für viele Menschen war die Absetzung Petros ein neuerliches Beispiel dafür, wie die Eliten des Landes progressive Politik von links verhindern können.

Petro, der seine Absetzung stets als Staatsstreich bezeichnet hatte, zeigte sich erwartungsgemäß zufrieden und kündigte die Fortsetzung des unter dem Titel »Für ein menschlicheres Bogotá« firmierenden Regierungsprogramms an.

Doch hat er möglicherweise nur einen Etappensieg errungen. Denn er muss sich nun wohl dem Referendum stellen, das nach seiner Absetzung zunächst hinfällig geworden war und bei dem die Bürger der Stadt über seinen Verbleib im Amt entscheiden sollen. Eine einfache Mehrheit würde für seine neuerliche Absetzung ausreichen; und seine Gegner sind einflussreich und finanzstark. auch die Richter der nationalen Obersten Gerichte werden sich möglicherweise noch mit dem Fall beschäftigen. Die Gesetze werden den Kolumbianern in Bogotá also weitere Überraschungen bescheren.

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