Der Freund von der anderen Seite

Palästinenser und Israelis wollen durch Fußball ein Zeichen setzen

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.
Doodi Salman und Fadi Zidan sitzen auf dem Trainingsplatz des Stadiongeländes in Kreuzberg mit ihrer Landesflagge auf dem Arm. Die beiden palästinensischen Jungen warten auf ihre Mitspieler. Sie reden darüber, wie es ihnen hier gefällt und ihre Augen beginnen zu leuchten, wenn sie von deutschen Mädchen sprechen. Derweil stößt Yakir Naftaki zu ihnen. »Schau mal!«, ruft Salman. »Das ist mein Freund von der anderen Seite.« Naftaki kommt aus Israel und spielt gemeinsam mit Salman, Zidan und fünf weiteren israelischen und palästinensischen Jugendlichen in einem gemischten Team bei der Straßenfußball-WM auf dem Berliner Mariannenplatz. Das »Peres Center for Peace«, 1996 vom Friedensnobelpreisträger Shimon Peres gegründet, hat die Jungen zusammengeführt, um sie miteinander Fußball spielen zu lassen, als ersten Schritt zu einer möglichen Versöhnung zwischen beiden verfeindeten Parteien. Die Jungen sind sich der Bedeutung ihres Ausflugs bewusst: »Wir werden den Konflikt nicht lösen können«, sagt der 20-jährige Zidan. »Aber wir geben hier ein Beispiel dafür, dass wir problemlos gemeinsam leben und arbeiten können.« Und Naftaki fügt hinzu: »Wir arbeiten gut zusammen, das erste Spiel haben wir gewonnen.« Anfangs sei es schwierig gewesen, erzählen die Palästinenser. Man hat sich abgetastet. Zwei Mal in der Woche durften sie das Westjordanland verlassen, um mit ihren neuen Teamkameraden zu trainieren. In den eigenen Gebieten wurde nie trainiert. Auch Naftaki bedauert das: »Wir haben schnell gemerkt, dass das alles nette Menschen sind. Das wäre eine gute Erfahrung gewesen.« Doch die Vorbehalte auf beiden Seiten waren sehr groß. Davon berichtet auch Anwar Zaidan, einer der beiden Teamleiter. Zwölf Spieler und deren Familien wurden angesprochen. »Alle Eltern haben am Anfang nein gesagt«, erinnert sich der 35-Jährige. »Das Bild vom jeweils anderen als Selbstmordattentäter oder Soldaten, der einen töten will, ist fest in den Köpfen verankert. Es hat gedauert, diese Bilder zu zerstören.« Acht Familien konnten sie überzeugen, ihren Kindern die Chance zu geben, weit vom Konflikt entfernt ein Zeichen für den Frieden zu setzen. »Die Jungen wohnen zusammen in einem Zimmer. Da riefen die Eltern jeden Tag an und fragten ihre Söhne, ob sie beleidigt oder ihnen etwas angetan wurde«, sagt Zaidan. »Die Kids antworteten aber nur, dass alles gut läuft und sie gestern gewonnen hätten. Heute fragen auch die Eltern nur noch, wie das Spiel ausgegangen sei.« Eine Woche leben die Jungen nun gemeinsam und haben viel voneinander gelernt. Unterschiedliche Gebete, andere Essgewohnheiten. »Wir haben gelernt, unsere Unterschiede zu respektieren«, sagt Salman. »Ansonsten haben wir die gleichen Interessen: Musik, Liebe, Kino, Mädchen.« »Aber keine Politik, darüber reden wir nicht«, sagt Naftaki und die anderen nicken zustimmend. »Hoffentlich bleiben wir nach dem Turnier in Kontakt«, wünscht sich der 18-Jährige. »Das müssen wir, sonst wäre das Ganze umsonst gewesen.« Auch seine Augen beginnen noch einmal zu leuchten, ich hatte ihn gerade nach den deutschen Mädchen gefragt. Irgendwie sind wir doch alle gleich.
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