Der Grabstein- Dieb und andere Lügen
Psychoattacken rund um das, was Kiews Regierung »Dritter Weltkrieg« nennt
Arseni Jazenjuk, Chef der Kiewer Übergangsregierung, warnt: Russland will einen »Dritten Weltkrieg« anzetteln. Unsinn, meint ein Mann namens Igor Strelikov aktuell in der »Komsomolskaja Prawda«. Er ist offenbar so etwas wie der militärische Führer der sogenannten Selbstverteidigungskräfte der Republik Donezk und sagt, die angebliche russische Zurückhaltung erklärend: »Ich verstehe, dass niemand wegen Slawjansk einen Krieg beginnt.« Zwischen diesen beiden Positionen füllen sich derzeit die Kübel mit Halbwahrheiten und ganzen Lügen. Nur wenige Nachrichten sind zu verifizieren. Sie dienen dennoch als Grundlage angeblich seriöser politischen Bewertungen. Auch das, was uns auf dem Sofa Sitzende über YouTube oder - oft identische - TV-Berichte zur direkten Ansicht erreicht, ist in der Regel nur mehr oder weniger geschickt gemachte psychologische Kriegsführung.
Vor einigen Tagen hat die NATO nicht-militärische Satellitenbilder veröffentlicht, die russische Militäraufmärsche nahe der ukrainischen Grenze belegen sollten. Moskau dementierte. Das sei alles altes Material von Übungen im vergangenen Sommer. Als Kiew in der vergangenen Woche seine Anti-Terroroperation gegen die Aktivisten in der Ostukraine startete, lancierten »Privatpersonen« einige Videos zunächst an vorbestimmte Adressaten. Eines, bei einer Autofahrt aufgenommen, zeigt russische Militärkolonnen im Gegenverkehr: Schützenpanzer hinter Schützenpanzer. Alle in Top-Zustand. Die stählerne Kette wurde nur unterbrochen von Artillerieeinheiten. Auch auf Feldwegen sieht man zuhauf Kriegsgerät.
Nur für den Sekundenbruchteil ist ein blau-weißes Hinweisschild erkennbar: Gukowo. Die Stadt im Oblast Rostow ist keine zehn Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Und von dort geht es fast schnurgerade auf der M03- Schnellstraße weiter nach Slawjansk und Krematorsk, dem Zentrum der pro-russischen Aktivisten. Die Botschaft war eindeutig, der ukrainische Geheimdienst, dem die Führung des Anti-Terroreinsatzes obliegt, stoppte seine Operation erst einmal.
Derzeit, so zeigen jetzt angeblich russische Satellitenfotos, zieht man weitere Kiew treue Militäreinheiten zusammen. 15 000 Soldaten mit Hunderten Panzern seien in Stellung gegangen, hieß es am Sonntag in russischen Medien. In russischen Sendern führt man zugleich Geheimdienstoffiziere des ukrainischen SBU vor. Mit verbundenen Augen, gefesselt, der Hosen beraubt, entwürdigt. TV-Reporter »verhören« die feindlichen Spione. Einer gibt zu, man habe den Auftrag gehabt, einen prorussischen Aktivisten-Kommandeur zu entführen. Er heißt Igor Besler. Igor Besler? Der war sogar schon »Nachrichtenstar« im zdf-Heute-Journal und der ARD-Tagesschau. Er soll sich im ostukrainischen Gorlowka als Oberstleutnant der russischen Armee vorgestellt haben. Doch nach dem von ihm befehligten Sturm auf ein Polizeirevier hatte die in Kiew ansässige »unabhängige« Nachrichtenagentur UNIAN behauptet, der Mann sei ein Hochstapler. Der Angestellte einer Bestattungsfirma sei 2012 wegen Diebstahls von Grabsteinen gefeuert worden.
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