Fast wie früher: Der BFC verlernt das Verlieren
Folge 36 der nd-Serie Ostkurve: Für den Berliner Fußball Club Dynamo soll die Regionalliga nach dem Aufstieg nur Zwischenstation sein
Ein Gradmesser für die neue Saison soll das Halbfinale im Berliner Pokal für die Mannschaft des BFC Dynamo an diesem Maiabend sein, schließlich geht es gegen den FC Viktoria 89 Berlin. Der Lichterfelder Fusionsklub hat in der Regionalliga Nordost die Position inne, auf der sich die Weinrot-Weißen aus Berlin-Hohenschönhausen mittelfristig sehen: Bar aller Abstiegssorgen ist die von Thomas Herbst trainierte Mannschaft aus dem Berliner Süden im Moment hinter Hertha BSC und dem 1. FC Union die dritte Kraft in der Hauptstadt.
»Wir sind hier mit viel Respekt aufgetreten, nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe«, sagt Thomas Herbst. Nach dem Spiel muss sich Viktorias Trainer ausdrücklich bei seinem Torwart Markus Rickert bedanken: Der irritiert die Dynamo-Spieler im Elfmeterschießen derart, dass nur einer von ihnen trifft. 1:3 verliert Dynamo das Duell vom Punkt, 120 Minuten lang war vor gut 2000 Zuschauern kein Tor gefallen. Zu viele Chancen hat der BFC zuvor liegengelassen, mehrmals pariert Rickert gegen allein vor dem Tor auftauchende BFC-Spieler oder kratzt den Ball in letzter Sekunde von der Linie. Ein Klassenunterschied ist während des ganzen Spiels nicht zu erkennen. Kein Wunder: Der bereits vor Wochen aufgestiegene BFC spielte während der gesamten Oberligasaison in einer eigenen Liga. 22 Siege, drei Unentschieden und keine einzige Niederlage weist die Tabelle aus, dazu ganze 26 Punkte Vorsprung vor dem Zweiten aus Brandenburg.
Zum Aufstieg gratuliert dann auch Gästetrainer Herbst noch einmal, BFC-Trainer Volkan Uluc macht seiner Mannschaft trotz der Niederlage »ein Riesenkompliment für die fantastische Leistung.« Ein Elfmeterschießen sei immer Glückssache und diesmal hätte Viktoria eben das bessere Ende für sich gehabt: Vor knapp einem Jahr hieß das Halbfinale ebenfalls Viktoria gegen den BFC, in Lichterfelde gewann der BFC damals nach Elfmeterschießen, der Weg nach oben nahm Fahrt auf. Über das gewonnene Berliner Pokalfinale im Bezirksderby gegen Lichtenberg 47 zog Dynamo in die erste Runde des DFB-Pokals ein, knapp 10 000 Zuschauer sahen im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark, wie sich der VfB Stuttgart gegen den Fünftligisten schwer tat und mit 2:0 knapp an einer Blamage vorbeischrammte.
Noch wichtiger als die 120 000 Euro Antrittsprämie wog, dass rund um die Partie alles ruhig geblieben war. Den Vereinsverantwortlichen um BFC-Präsident Norbert Uhlig und den Wirtschaftsratsvorsitzenden Peter Meyer dürfte im August 2013 ein Stein vom Herzen gefallen sein: Zwei Jahre zuvor war es an gleicher Stelle in der ersten Pokalrunde gegen den 1. FC Kaiserslautern noch zu Ausschreitungen gekommen, der BFC hatte seinem alten, schlechten Ruf mal wieder alle Ehre gemacht. Dementsprechend groß war die Anspannung vor dem Stuttgart-Spiel und auch das große Journalisteninteresse galt nur in Teilen dem sportlichen Geschehen auf dem Rasen.
Dort, und nur dort, verlor Dynamo, es war bis heute die letzte Pflichtspielniederlage, in der Liga haben die Weinrot-Weißen seit mittlerweile mehr als einem Jahr nicht mehr verloren. Eine Jagd von »15 gegen einen« hatte BFC-Trainer Uluc vor der jetzt endenden Oberligasaison prophezeit, damit lag er nur teilweise richtig: Der zum Jagen nötige Sichtkontakt ging für die Konkurrenz viel zu schnell verloren. Nach zehn Spieltagen und dem 2:0-Sieg beim FC Pommern Greifswald waren es bereits acht Punkte.
Im Anschluss an die Partie flatterte in der Geschäftsstelle am Sportforum ein Brief ins Haus. Der Absender: die Polizeiinspektion Anklam und ihr Leiter Gunnar Mächler. Der Inhalt erfreute die BFC-Verantwortlichen derart, dass sie ihn flugs veröffentlichten: »Ich möchte mich bei Ihnen und den angereisten Fans für eine aus meiner Sicht gelungene vom Sport geprägte Stimmung und Veranstaltung bedanken. Unsere Einsatzkräfte erlebten Fans, die ruhig und besonnen den Anweisungen ihrer Ordner während der polizeilichen Begleitung bis zum Stadion folgten und auch dort für gute Stimmung sorgten. Ein Eingreifen unsererseits war nicht erforderlich.« Und weiter: »Im Zuge der Einsatznachbereitung werden wir auch auf die Stadt zugehen, um für spätere Spiele bessere Rahmenbedingungen zu erreichen.«
Für bessere Rahmenbedingungen bei den Heimspielen in der kommenden Saison gegen die alten Rivalen aus Jena, Magdeburg oder Zwickau, aber auch gegen die zweiten Mannschaften von Union und Hertha BSC wird auch der beschlossene Umzug der ersten Mannschaft in den Jahnsportpark im Stadtteil Prenzlauer Berg sorgen. Das Sportforum Hohenschönhausen genügt für den mittelfristig angestrebten Aufstieg in die Dritte Liga nicht, wie sich auch beim Halbfinale gegen Viktoria wieder zeigt: Beim Elfmeterschießen gegen halb neun Uhr abends ist es wegen des fehlenden Flutlichts schon ziemlich schummrig, zu Beginn der Verlängerung vertreibt ein fünfminütiger Platzregen die Besucher der zu kleinen Haupttribüne von ihren Plätzen: Das zu kurz geratene Dach ist mehr Dekoration, als dass es Schutz vor dem Guss bietet.
»Wir wollen in der nächsten Saison noch mehr an den Ketten ziehen«, sagt Volkan Uluc abschließend nach dem verlorenen Halbfinale. Sein Vertrag und auch der des Sportlichen Leiters Kevin Meinhardt wurden schon um zwei Jahre verlängert, die Mannschaft bleibt ebenfalls weitgehend zusammen. Dementsprechend forsch lautet auch die Zielsetzung für die nächste Saison: Platz fünf bis acht.
Die Ketten, von denen Uluc spricht, liegen woanders: Die Regionalliga, Schnittstelle zwischen Amateur- und Profifußball, kann auf Dauer kein Ziel für Vereine sein, die »keinen Bock auf Amateurfußball haben«, wie Uluc den neuen Anspruch des BFC formuliert. Der Weg in die Drittklassigkeit führt über einen einzigen Relegationsplatz, den auch Magdeburg und Jena um des schieren Überlebens willen mit allen Mitteln anstreben müssen. In der vierten Liga wird der BFC Dynamo künftig auch das Verlieren neu erlernen müssen.
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