Kreditengpässe im Mittelstand
Ein schwäbischer Maschinenbauer gründet ein eigenes Geldinstitut
Gejammert wird in der Wirtschaft eigentlich immer: Löhne und Steuern seien zu hoch, die Subventionen fielen im Vergleich zur internationalen Konkurrenz zu niedrig aus und Deutschlands Banken vergäben zu wenig Darlehen. Doch in letzter Zeit verdichten sich die Hinweise, dass tatsächlich eine Kreditklemme droht, die den international tätigen Mittelstand und das lokale Handwerk ausbremsen würde.
Schützenhilfe kommt von der Bundesbank. Deren Statistiken zeigen nämlich, dass das Kreditgeschäft mit Nichtbanken in Deutschland seit Jahren stagniert und 2013 sogar um über 120 Milliarden Euro sank. Ein zweiter Blick auf das Zahlenwerk zeigt aber, dass der Sachverhalt doch nicht so einfach ist. Der Rückgang der Darlehen an Unternehmen und Selbstständige geht vor allem auf Finanzdienstleister und Versicherer zurück, die sich weniger Geld pumpen, seit die Finanzkrise ausgestanden scheint.
Berlin. Die unzureichende Kreditversorgung der Wirtschaft vor allem in den Euro-Krisenländern bereitet der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Langem Kopfzerbrechen. Helfen soll die Politik extrem niedriger Leitzinsen, zu denen sich Banken in Frankfurt am Main Geld beschaffen können. Das soll diese dazu bringen, Kredite in ausreichendem Umfang und zu günstigen Konditionen an die Industrie zu verleihen. Damit soll die in Rezession und Deflation steckende Wirtschaft wieder auf die Beine gebracht werden.
Doch scheint dies nur unzureichend zu gelingen. Zwar sieht es derzeit danach aus, dass die Konjunktur allmählich wieder anzuzieht. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass keine Kreditengpässe entstünden, sagte EZB-Direktor Yves Mersch am Mittwoch auf einer Konferenz in Berlin. »Die Banken sollten weiterhin ihrer Tätigkeit in einer funktionierenden Marktwirtschaft nachgehen. Dazu gehört auch, dass Kredite vergeben werden.« Deutlicher wird ein Kollege Merschs; Kreditinstitute müssten wohl bald Strafgebühren bezahlen, wenn sie ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank deponieren wollten, sagte EZB-Chefvolkswirt Peter Praet der »Zeit«.
Die Geldpolitiker wollen damit verhindern, dass die Geschäftsbanken ihr Geld bei der EZB bunkern, statt es in Form von Krediten an Unternehmen weiterzureichen. Ferner wird überlegt, den Banken wieder größere Mengen Geld für einen längeren Zeitraum zu leihen, eventuell gegen Auflagen. In diese Richtung könnte auch das Starten eines Anleihenkaufprogramms wirken - hier gibt es derzeit aber offenbar keine konkreten Überlegungen in der EZB. nd/KSt
Sicher ist aber auch, dass der deutsche Mittelstand, für Minister Sigmar Gabriel (SPD) »die Triebfeder einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung«, nicht im Geld schwimmt. Weniger als 20 Prozent beträgt laut Bundesbank die Eigenmittelquote im verarbeitenden Gewerbe - über 80 Prozent des Umsatzes muss also von Zulieferern, Kunden und vor allem Banken vorfinanziert werden. Wobei deutsche Mittelständler damit international noch ordentlich aufgestellt sind: Seit 2012 sinkt in der EU insgesamt das Kreditvolumen. Vor allem in Euro-Krisenländern drohen viele an sich aussichtsreiche Geschäftsabschlüsse an der fehlenden Finanzierung durch Banken zu scheitern.
Dies kann aber auch hierzulande zum Problem werden. Jedes fünfte Unternehmen klagt laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln über »eine restriktive Kreditvergabe«. Unterm Strich sei damit die Finanzierungslage allerdings noch entspannt. »Ob das allerdings auf längere Sicht so bleibt, ist fraglich«, schreibt das wirtschaftsnahe Forschungsinstitut.
Was auch an den härteren Kapitalregeln »Basel III« liegt, die seit Anfang 2014 in der EU gelten und in den kommenden Jahren nach und nach vollständig umgesetzt werden. Banken müssen danach ihre Geschäfte stärker als bisher mit »hartem Kernkapital« unterlegen - oder das Kreditgeschäft zurückschrauben. Treffen dürfte dies vor allem kleine und mittlere Mittelständler, die keine Milliardenumsätze verbuchen. Denn »der« Mittelstand ist ein von Politikern gern benutztes Konstrukt. Mehr als 3,5 Millionen Unternehmen zählt das in Bonn ansässige Institut für Mittelstandsforschung dazu - das sind 99,6 Prozent aller Unternehmen in der Privatwirtschaft. Dazu zählen Firmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro und mit weniger als 500 Beschäftigten. Dazu kommen noch ein paar Dutzend Familienunternehmen mit größeren Umsätzen. Diese 99,6 Prozent aller Unternehmen erwirtschaften jedoch nur ein Drittel des gesamten Umsatzes der deutschen Wirtschaft. Im weitgehend entindustrialisierten Osten (ohne Berlin) liegt der Umsatzanteil der kleinen und mittleren Unternehmen allerdings bei zwei Dritteln.
Dass es Probleme gibt, belegt eine Nachricht, die in den Bankentürmen für Nervosität sorgt. »In Kürze« wird der Mittelständler Trumpf seinen ersten Kredit vergeben. Dazu hat der Laser- und Werkzeugmaschinenbauer Trumpf aus Ditzingen bei Stuttgart - weltweit als erster in seiner Branche - im Frühjahr eine Bank gegründet. Nicht weil das erfolgreiche Unternehmen Schwierigkeiten hat, an Geld zu kommen, sondern weil man die eigenen mittelständischen Kunden europaweit besser mit Krediten beim Kauf seiner Maschinen unterstützen will, wie ein Sprecher sagt. Der typische Trumpf-Kunde kommt nämlich nur auf drei bis fünf Millionen Euro Jahresumsatz - wenn die benötigte Maschine bis zu eine Million Euro kosten soll, winken viele Banken ab.
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