»Plan B« für Datteln IV

Stadtrat für neuen Anlauf bei umstrittenem E.on-Steinkohlekraftwerk

  • Marcus Meier, Datteln
  • Lesedauer: 3 Min.
Darf das neue Steinkohlekraftwerk Datteln IV fertig gebaut werden? Der Rat der Ruhrgebietsstadt ist mehrheitlich dafür.

Die Genehmigung des Steinkohlekraftwerks Datteln IV des Energiekonzerns E.on hat eine weitere Hürde genommen: Am späten Mittwochnachmittag stimmte der Rat der Stadt Datteln dem »Plan B« für den Weiterbau zu. Als die Entscheidung gefallen war, verteilte eine Dame im E.on-roten Kostüm flugs eine vorformulierte Pressemitteilung: Der Energiekonzern begrüße die Zustimmung zur Änderung des Bebauungs- und Flächennutzungsplans. »Damit sind die planungsrechtlichen Grundlagen für das Kraftwerk Datteln IV wieder hergestellt«, so E.ons Deutschland-Chef Ingo Luge.

Der Konzern ist der Verwirklichung des »Plan B« für das zu 90 Prozent fertig gestellte, aber 2009 wegen schwerer Planungsmängel vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gestoppte Kraftwerk sehr nahe gekommen. Nachdem 2013 die rot-grüne Landesregierung bereits einem »Zielabweichungsverfahren« und damit einer zweiten genehmigungsrechtlichen Chance zugestimmt und das Ruhrparlament den Regionalplan entsprechend geändert hatte, machte nun auch der Rat der Stadt Datteln den Weg frei für den »Plan B« - mit 30 Ja- bei acht Nein-Stimmen. Neben vier grünen Ratsleuten und einem LINKE-Ratsherren haben offenbar auch drei Abweichler aus dem Lager von SPD, CDU, FDP und einer lokalen Wählergemeinschaft gegen die Weiterführung des Großprojekts gestimmt.

Nun gibt es für E.on zunächst zwei weitere Hürden zu überwinden: Die Bezirksregierung Münster muss den Dattelner Beschluss absegnen, wofür man ein Vierteljahr einplant, und eine Klage der Nachbarstadt Waltrop gegen den Weiterbau muss heil überstanden werden. Doch in Datteln hält man »Plan B« für gerichtsfest. Waltrops Klage werde wohl keine aufschiebende Wirkung haben, so Hans Vietmeier, juristischer Berater des Projektes. Notfalls könne die Staatskanzlei den sofortigen Weiterbau anordnen. Anderthalb bis zwei Jahre Weiterbauzeit veranschlagte Gesamtprojektleiter Andreas Willeke. Der E.on-Manager ist sich zu 100 Prozent sicher, dass Datteln IV bald ans Netz gehen werde: »Hier geht es schließlich um nicht weniger als die Zukunft E.ons im Ruhrgebiet.«

Doch die Projektgegner werden wohl erneut auf den juristischen Weg setzen und rechnen sich gute Chancen aus. Das OVG Münster hatte schließlich vor vier Jahren auf hundert Druckseiten Mängel am damaligen Bebauungsplan aufgelistet. Es ließ aber die Möglichkeit offen, die monierten Planungsmängel durch ein »Zielabweichungsverfahren« nachträglich juristisch zu »heilen«. Die schlimmste Zielabweichung vom Landesentwicklungsplan NRW: Der Standort ist fünf Kilometer entfernt vom genehmigten Ort. Bei einem normalen Eigenheim stünde wohl schlicht der Abriss an, nicht so bei E.ons Bauwerk: Der faktische Standort sei für Kraftwerke geeignet, beschied Rot-Grün 2013.

Sowohl die LINKE im Ruhrparlament als auch die Grüne Jugend NRW kritisierten die Dattelner Ratsentscheidung. Vor der Stadthalle protestierten dutzende Gegner des Kraftwerks gegen den »Klimakiller«, der auf Jahrzehnte hin 8,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ausstoßen würde. Hunderte E.on-Mitarbeiter demonstrierten derweil für einen schnellen Weiterbau.

Die Kraftwerksblöcke Datteln I und III, die im Februar still gelegt wurden, lieferten ein Fünftel des deutschen Bahnstroms. Auch ohne Datteln IV gab es für die Deutsche Bahn AG keine Probleme - Regionalexpresse und ICEs fahren mit Strom aus dem öffentlichen Netz.

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