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Der erste Sputnik
Warum der Traum von einer Kosmonautin platzte
Es war der 4. Oktober 1957, ich war Studentin an der ABF Potsdam. Da hörte ich die unglaubliche Kunde vom Start eines künstlichen Himmelskörpers, der um die Erde kreist. Sogar auf meinem uralten Radio konnte ich mehrmals das Piepsen hören, welches der erste Sputnik in die ganze Welt entsandte. Wir Studenten bewunderten die wissenschaftlich-technische Leistung der UdSSR.
Ich war aktives Mitglied bei den Segelfliegern, und in diesem Kreis kannte die Begeisterung keine Grenzen. Alle waren wie aus dem »Häuschen« und die Diskussionen sehr irreal. Manche wollten gleich zum Mond oder gar zum Mars fliegen. Wir redeten uns die Köpfe heiß, und nach vielfältigen Debatten einigten wir uns auf eine Wette zum Thema: »Wann wird der erste Mensch die Erde umkreisen? Wie viele Jahre wird es dauern?« Die Vermutungen gingen von einem bis fünf Jahre. Ich legte mich auf zwei Jahre fest. Mit größter Spannung verfolgte ich die weitere Entwicklung der Erkundung des Alls, sammelte alle Artikel aus den Zeitungen und legte mir extra eine Mappe an. Im Rundfunk verfolgte ich jede neue Meldung mit höchster Aufmerksamkeit.
Der erste Sputnik, der nur einen Durchmesser von 58 cm hatte und rund 80 kg wog, verglühte nach 92 Tagen. Aber bereits nach 30 Tagen, am 3.11.1957, folgte dem ersten der zweite Sputnik mit der Hündin »Laika« an Bord. Sie wurde zwar nach drei Tagen eingeschläfert, erbrachte aber den Beweis, dass ein Säugetier die Schwerelosigkeit über eine Zeit von mehreren Tagen überstehen kann. Diese Sputnik-Kapsel wog 500 kg und zeigte aller Welt den Stand der Entwicklung der Raketentechnik der Sowjetunion.
Erst vier Monate später, am 1. Februar 1958 schossen die USA ihr erstes Weltraumobjekt »Explorer 1« in den Orbit. Der Kalte Krieg tobte jetzt im Weltall. Die NASA wurde gegründet. Der »Sputnik-Schock« saß tief und wirkte auf viele Bereiche in der ganzen Welt.
Die von mir anvisierten zwei Jahre verstrichen, ohne dass ein Mensch ins All startete. Wie ich nachlesen konnte, waren bemannte Weltraumprojekte weitaus komplizierter zu entwickeln. Das Hauptproblem bestand in der sicheren Rückkehr zur Erde, einer perfekten Landung. Am 19. 8.1960, knapp drei Jahre nach dem ersten Sputnik, gab es den entscheidenden Durchbruch. Das mit zwei Hunden sowie anderen Tieren und Pflanzen an Bord gestartete Raumschiff, landete nach 18 Erdumkreisungen wohlbehalten wieder auf unserem Planeten.
Der Tag, auf den ich so lange gewartet hatte, war der 12. April 1961. Aus dem Äther kam die Nachricht vom ersten Kosmonauten Juri Gagarin, der die Erde mit »Wostok 1« in 108 Minuten einmal umkreiste. Er landete wohlbehalten bei Saratow an der Wolga. Zum ersten Mal sah ein Mensch unsere Erde wie einen riesigen Globus mit allen Erdteilen, den großen Flüssen, den Weltmeeren und Inseln. Obwohl ich die Wette nicht gewonnen hatte, war ich hellauf begeistert und freute mich, dass die Sowjetunion weiter die Nase vorn hatte und den ersten Kosmonauten der Welt stellte.
Ich studierte inzwischen in Leipzig, und als ich im Herbst 1961 die Dokumentar- und Kurzfilmwoche besuchte, wurde ich mit dem Film über den Flug des ersten Kosmonauten überrascht, der jubelnd und mit viel Beifall zur Kenntnis genommen wurde.
Mein Russisch war bis dahin mittelmäßig. Jetzt begann ich, ganz intensiv und sehr fleißig zu lernen, denn ich wollte Kosmonautin werden. Als ich mich nach den Bedingungen erkundigte, kam die kalte Dusche. Die allererste und wichtigste Voraussetzung war eine ausgezeichnete Gesundheit. Doch ich war weitsichtig und musste eine Brille tragen. Das konnte ich beim Segelfliegen mit Hilfe einer Sonnenbrille geradeso kaschieren. Bei einem gründlichen Gesundheitstest wäre ich sofort durchgefallen. Also ließ ich Valentina Tereschkowa den Vortritt und gönnte ihr den Erfolg als erste Frau im Weltall. Bekanntlich umkreiste sie am 16. Juni 1963 mit »Wostok 6« die Erde.
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