Teure WM verärgert Brasilianer
Zusammenstöße mit der Polizei bei Protestdemonstration in São Paulo
Die WM rückt näher, doch nicht alle freuen sich. »Wem nützt die Weltmeisterschaft eigentlich?« Diese Frage stellt das Comitê Popular da Copa. Diese Frage drückt auch den Unmut und die Empörung der Demonstranten aus, die am Donnerstag zu Tausenden in vielen Städten Brasiliens auf die Straße gingen. Das WM-kritische Komitee aus São Paulo hatte zusammen mit anderen sozialen Gruppen und Gewerkschaften zum landesweiten Aktionstag aufgerufen. Die Demonstranten kritisieren die hohen Kosten, die sich mittlerweile auf etwa 10 Milliarden Euro belaufen. Sie fordern stattdessen mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr, für Bildung und bezahlbare Wohnungen.
In São Paulo gab es die größten Proteste. Am Donnerstag blockierten nach Angaben der Militärpolizei 2000 Menschen den Eingangs des Stadions Corinthians und zündeten Reifen an. Dort wird am 12. Juni die WM angepfiffen. »Wir wollen nicht das Stadion zerstören«, betonte Guilherme Boulos von der Bewegung »Obdachlose Arbeiter«. »Wir fordern mehr Rechte für die Arbeiter und bezahlbare Wohnungen.« Unter dem Motto »WM des Volkes« besetzten obdachlose Familien bereits Anfang des Monats eine Fläche, die nur wenige Kilometer vom neuen Stadion entfernt liegt.
FIFA-Präsident Joseph Blatter hat die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar kritisiert und politische Einflussnahme aus Deutschland und Frankreich bei der Entscheidung angedeutet. »Natürlich war es ein Fehler. Aber wissen sie, man macht viele Fehler im Leben. Der Technische Bericht zu Katar hat eindeutig gesagt, dass die Temperaturen im Sommer zu hoch sind«, sagte er dem Schweizer Sender »RTS«.
Mögliche Bestechung durch das Emirat an die stimmberechtigten Mitglieder des
FIFA-Exekutivkomitees im Dezember 2010 wollte Blatter nicht kommentieren: »Nein, nein, das habe ich nie gesagt.« Allerdings stellte er fest, dass es offenbar »politischen Druck« aus Frankreich und Deutschland gegeben habe. »Man weiß gut, dass große Firmen aus Frankreich und Deutschland in Katar arbeiten, aber sie arbeiten nicht nur für die WM«, sagte Blatter.
Blatter bestätigte im Interview, dass er 2015 erneut als FIFA-Präsident kandidieren werde. »Ich habe nicht nur Lust, ich bin entschlossen weiterzumachen«, sagte er. dpa/nd
Am Nachmittag schlossen sich etwa 5000 Lehrer den Protesten an und marschierten durch São Paulo. Sie forderten vor allem höhere Löhne. Auch in Rio de Janeiro gingen Hunderte Lehrer auf die Straße. Am Abend kam es in São Paulo zu Zusammenstößen mit der Polizei, Demonstranten wurden festgenommen.
In Recife im Nordosten Brasiliens fielen die Proteste mit einem Streik der örtlichen Polizei und der Feuerwehr zusammen. Dort wurden Geschäfte geplündert, Nationalpolizei und Armee waren im Einsatz. Nach drei Tagen wurde der Streik am Donnerstagabend beendet, berichtet das Internetportal »Globo News«. Insgesamt hatten WM-Kritiker in 50 Städten zu Protesten aufgerufen, darunter in allen zwölf WM-Spielstätten.
Die Beteiligung am Aktionstag hatten Sicherheitsexperten im Vorfeld als einen Gradmesser für die Herausforderungen während der WM bezeichnet. Im Vergleich zum Confederations Cup im Juni vergangenen Jahres gingen diesmal jedoch deutlich weniger Menschen auf die Straße. Damals hatten Hundertausende auf den Straßen protestiert.
Der brasilianische Sportminister Aldo Rebelo spielte die aktuellen Proteste am Donnerstag herunter. »Das, was ich in São Paulo gesehen habe, richtet sich nicht gegen die WM. Es sind spezielle Arbeiterproteste«, sagte er. Präsidentin Dilma Rousseff sprach nach einem Bericht des Internetportals »Últimas Noticias« vom Scheitern des Aktionstages.
Die Regierung versucht, negativen Schlagzeilen so kurz vor dem Start des Großereignisses zu trotzen und will die eigene Bevölkerung für die WM begeistern. So laufen Werbespots für die »Copa das Copas« beim größten Sender Globo TV zur besten Sendezeit. Die Meinung der WM-Kritiker wird dies aber wohl nicht mehr umstimmen. Für sie ist klar, wer von der WM am meisten profitiert: der Fußballweltverband FIFA.
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