Schwedische Gardinen, Marke Eigenbau

In der JVA Kleve in Nordrhein-Westfalen werden besonders stabile Stahlgitter hergestellt - für andere Gefängnisse

  • Elke Silberer
  • Lesedauer: 4 Min.
Verkehrte Welt: Ausbruchsichere Gefängnisgitter aus dem Knast - hergestellt von Häftlingen. Eine ganz normale Arbeit, sagen sie in der JVA Kleve. In Siegburg nähen Gefangene ja auch Richterroben.

Häftlinge sollten nicht einmal daran denken. Keine Chance - die Gefängnisgitter sind Qualitätsarbeit. Jede Säge würde irgendwann die Biege machen. Es sind Gitter der neueren Generation. Besonders harter Spezialstahl, Manganhartstahl. »Ausbruchsicher«, sagt Anstaltsleiter Klaus-Dieter Schweinhagen.

In der Justizvollzugsanstalt Kleve am Niederrhein werden Gitter für Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen produziert. Dass das ausgerechnet Häftlinge machen, finden freilich nur andere komisch oder irgendwie bemerkenswert. Für die in diesem Metier beschäftigten Strafgefangenen ist die Arbeit an den sicheren Fenstergittern nichts Besonderes mehr.

»Das ist eine Arbeit wie jede andere«, sagt etwa der Häftling Michele (24), der in Kleve einsitzt. An einer Maschine schneidet er mit einem Kollegen die Rohre, die später in den Profilrahmen des Gitters kommen, wie Sprossen einer Leiter.

Michele ist ein Fachmann - nämlich gelernter Schlosser. Ein paar Stunden noch, dann ist Feierabend. Dann wird der junge Mann über den Hof in seine Zelle gehen. Wie so oft wird er zum Fenster gucken und die Gitter dahinter. Sein Blick wird an den Schweißnähten hängen bleiben, »gucken, ob die gut gemacht sind«.

Das sind diese allerdings, wie er selbst mit am besten weiß. Wie Michele gucken nämlich alle rund 200 Häftlinge in Kleve durch schwedische Gardinen »Made in Kleve« und kommen wohl gerade deshalb nicht auf dumme Gedanken. Die selbst gebauten Gitter sind nämlich so gut wie nicht zu zersägen. Die klassischen Methoden eines Gefängnisausbruchs fallen damit tendenziell aus.

Zuletzt hatte 2012 noch ein Häftling in der JVA Bochum ganz klassisch Gitter der alten Generation durchgesägt und sich auf dem Dachboden der Anstalt versteckt. Danach hatte Bochum Gitter aus Manganhartstahl bekommen.

Draußen auf dem Hof in Kleve liegen gerade Gitter für die Justizvollzugsanstalt in Werl, wo auch schwere Jungs wie etwa der berüchtigte Gladbecker Geiselgangster Dieter Degowski einsitzen. In Vollzugsanstalten mit derartigen Kalibern werden nun nach und nach die Gitter ausgetauscht, sagt der Sprecher des nordrhein-westfälischen Justizministeriums, Peter Marchlewski. Die neuen Gitter werden bereits seit 14 Jahren zentral in Gefängnis von Kleve produziert. Schneiden, Stanzen, Richten, Löten. »Das Gitter ist von A bis Z Handarbeit«, sagt der dortige Schlossereileiter Jörg Hebing.

Der Hersteller des Stahls muss mit einem Prüfprotokoll die Qualität des Materials bescheinigen. Einmal im Jahr sägen die JVA-Bediensteten selbst an den Gittern herum - zur Qualitätsprüfung. Wie geht es, theoretisch natürlich, am besten? Mit der großen Säge? Oder mit einer ganz feinen Feile? Vielleicht an den Schweißnähten? Hebing schweigt sich darüber denn doch lieber aus. Es ist ja auch ein reichlich sensibles Betriebsgeheimnis.

In NRW besteht für erwachsene Strafgefangene eine generelle Arbeitspflicht - zur Resozialisierung, damit sie nach der Entlassung eine Chance auf einen Arbeitsplatz haben, wie es heißt. Früher hat die JVA Kleve mal in Konserven gemacht. Millionen von Leberwurstdosen wurden von Häftlingen in Kleve etikettiert. Doch dafür hat die Firma im Gefängnis mittlerweile dann doch eine Maschine angeschafft.

Unter den Häftlingen sei die Arbeit in der Schlosserei sehr gut angesehen, sagt der Klever Anstaltsleiter Schweinhagen. »Das ist keine Arbeit, die in jeder Anstalt angeboten wird. Jeder ist heilfroh, wenn er so eine Arbeit bekommen hat.« Schweinhagen spricht sogar von einem »Sahnehäubchen«.

Dass sich die JVAs in Nordrhein-Westfalen in gewissen Grenzen selbst versorgen, habe Tradition, sagt Ministeriumssprecher Marchlewski. Das Brot kommt weitgehend aus eigenen Bäckereien, einige Anstalten halten Tiere, bauen Gemüse an, produzieren Nahrungsmittel für die Knastläden. Bei landesweit insgesamt 37 Justizvollzugsanstalten komme auch ein rundes Warensortiment zusammen - bei Weitem nicht nur die besonders ausbruchssicheren Gitter aus dem Klever Gefängnis.

Auch im Büromöbelbau sind längst Strafgefangene aktiv. Die ganze Justiz in NRW arbeite übrigens an Schreibtischen aus JVA-Werkstätten - und darüber hinaus selbst hochrangige Landespolitiker wie etwa der Düsseldorfer Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Und in der JVA Siegburg bei Köln nähen die Häftlinge sogar Richterroben. dpa

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