Vier Wochen Fußball sozusagen bis zum Verdruss - da tritt durchaus schon mal ein Ermüdungseffekt ein, bei den Fans wie natürlich auch bei den Spielern. Davon blieb das WM-Finale nicht verschont.
Allgemein werden natürlich an ein WM-Endspiel - und das weltweit - besonders große Erwartungen geknüpft. Sie wurden diesmal nicht erfüllt, weder von den später als Weltmeister gefeierten Italienern noch von den Franzosen. Beiden Finalisten war anzusehen, dass das vierwöchige Turnier doch ganz schön geschlaucht hat und die Kräfte mehr und mehr schwanden. Dem war dann auch geschuldet, dass im Endspiel auf beiden Seiten viele technische Mängel in der Ballbehandlung deutlich wurden, die ohne Kräfte- und Konzentrationsverschleiss nicht aufgetreten wären, und dem war auch geschuldet, dass man nicht mehr so scharf in die Zweikämpfe ging.
Die Franzosen waren für mich eine Nuance schärfer in ihrer Gangart. Doch sie versäumten es, mit dem zweiten Tor den Italienern endgültig den K.o. zu verpassen. Und je weiter die Zeit fortschritt, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass die Italiener ganz darauf aus waren, sich in ein Elfmeterschießen zu retten. So kam es auch. Und am Ende waren sie die Glücklicheren, nicht aber unbedingt die Besseren.
Sportlich gesehen ließ diese WM viele Wünsche offen. Der Offensivfußball lahmt, weil ihn taktische Zwänge und ergebnisorienter Fußball praktisch einengen. Diese Erkenntnis ist für einen Stürmer, wie ich 18 Jahre lang einer war, bei dem die Angriffslust überwog, schon ein wenig deprimierend. Wo ist diese Angriffslust geblieben? Brillante Stürmerleistungen waren eine Rarität. Selbst Weltfußballer wie der Brasilianer Ronaldinho blieben vieles schuldig.
Um so erfreulicher ist aus meiner Sicht, dass die deutsche Mannschaft - entgegen mancher Befürchtungen - sich mit einer offensiven Spielweise in Szene zu setzen versuchte, auch wenn im Team von Jürgen Klinsmann bei aller Offensivfreudigkeit nur Miroslav Klose eine Sturmspitze auf Weltnivaeu war.
Unser Autor ist 68-facher DDR-Nationalspieler und war WM-Teilnehmer 1974. Er bestritt 352 Oberligaspiele für den FC Carl Zeiss Jena.
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