»Land bedeutet Leben«
Deutscher Großgrundbesitzer muss 14 000 Hektar Boden an indigene Gemeinschaft in Paraguay zurückgeben
In Paraguay muss der deutsche Unternehmer Heribert Rödel über 14 000 Hektar illegal in Besitz genommenen Landbesitz an die eigentlichen Eigentümer zurückgeben. Vor wenigen Tagen stimmte die Abgeordnetenkammer in der Hauptstadt Asunción mit konservativer Mehrheit für die Enteignung des Großgrundbesitzers und die Rückübertragung der Ländereien an die Sawhoyamaxa, einer Gemeinde mit rund 100 Familien aus dem indigenen Volk der Enxet.
»Das ist für uns sehr wichtig, Land bedeutet Leben«, sagte Leonardo González, Vertreter der rund 370 Kilometer nordöstlich von Asunción gelegenen Gemeinde. Sichtlich berührt begrüßte auch Mariana Ayala den späten »Triumph«. Allerdings konnten »viele Alte von uns diesen großen Erfolg nicht mehr miterleben«, klagt sie. 150 Familien leben am Rand der staubigen Straße Rua Rafael Franco - ohne Trinkwasser, Schule und Krankenhaus. Laut der Menschenrechtsorganisation FIAN starben in den vergangenen Jahren 19 Kinder wegen schlechter Lebensbedingungen.
Der jüngsten Entscheidung ging ein zermürbender Rechtsstreit voran. Zu Zeiten der Militärdiktatur des deutschstämmigen Generals Alfredo Stroessner (1954 bis 1989) hatte Regimefreund Rödel rund 600 Indigene gewaltsam von ihrem Land vertreiben lassen. Seine Firmen Kansol S.A., Roswell und Cía betrieben auf den Farmen Santa Elisa und Michí Viehzucht und Ackerbau.
Rödel ist kein Unbekannter: Die kriminellen Geschäftspraktiken des promovierten Juristen aus Mainz waren bereits in den 1980er Jahren aufgefallen. Nachdem er über 1200 Investoren um 130 Millionen DM für vermeintliche Agrarprojekte im »Sonnenparadies« betrogen hatte, saß der heute 63-Jährige in Deutschland mehrere Jahre hinter Gitter. Nach der Rückkehr in seine Wahlheimat brachte »Don Heriberto« im Zuge der Landgeschenke Stroessners auch das Land der Enxet unter seine Kontrolle.
Erst mit Hilfe der Nichtregierungsorganisation Tierra Viva konnten die Entrechteten 2001 vor Gericht ziehen. Nach einem Ritt durch die In-stanzen kam 2006 ein Urteil des Interamerikanischen Menschengerichtshofes zustande. Paraguay wurde verdonnert, das Indigenenland binnen drei Jahren zurückzugeben. Im Kongress waren zuvor mehrere Anträge auf Enteignung am Widerstand der Agrarfraktion gescheitert. Unter anderem mit dem Verweis auf ein 1993 mit Deutschland geschlossenes Investitionsschutzabkommen, das Kapitalanlagen im jeweils anderen Land vor Enteignung und Verstaatlichung schützt. Unterschlagen wurde dabei Artikel 4, der Enteignungen »zum allgemeinen Wohl und im öffentlichen Interesse« bei Zahlung einer Entschädigung zulässt.
Darauf hofft nun Rödel: Wie die Tageszeitung »ABC Color« berichtet, verlangt er über 40 Millionen US-Dollar Entschädigung. Präsident Horacio Cartes muss die Enteignung noch absegnen, konservative Politiker warnen schon vor der Belastung der Staatskasse und davor, dass Enteignung Schule machen könnte. In der ärmsten Nation Südamerikas besitzen zwei Prozent der Bevölkerung fast 75 Prozent des Landes. Die zehntausenden Kleinbauern haben weniger als fünf Prozent zur Verfügung, immer wieder werden Landbesetzer gewaltsam vertrieben. Laut Weltbank lebt mehr als die Hälfte der Bewohner ländlicher Gebieten in Armut.
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