Kämpfen im Käfig
Mixed Martial Arts boomt in Amerika und Asien – am Sonnabend kommt der Vollkontaktsport nach Berlin
Für die einen ist es pure Gewalt, für die anderen ein faszinierendes Schauspiel: Die Mixed Martial Arts - kurz »MMA« - gehören zu den rasant wachsenden Sportarten der Welt. Das umstrittene Kampfspektakel im Oktagon (Achteck) polarisiert. Entweder ist man dafür oder dagegen - dazwischen gibt es nicht. Eigentlich eine gute Ausgangsposition für eine boomende Sportart, die jedoch hierzulande auf Widerstand stößt. Im deutschen Fernsehen wurde MMA bereits verboten.
»Wir wollen die sportliche Landkarte auf dem Globus verändern. 74 Prozent unserer Fans sind nicht älter als 30 Jahre. Wir haben 1,7 Milliarden Downloads bei Youtube«, sagt Marketingdirektor Garry Cook von der Ultimate Fighting Championship (UFC). Die UFC, mit Sitz in Las Vegas, ist der weltweit größte Veranstalter von MMA-Fights und hat in den USA beim Pay-per-View mit 1,6 Millionen Käufen pro Kampf das Boxen schon überholt. Cook: »Ich sage deutschen Politikern immer: Sie können unseren Sport nicht aufhalten.«
Pro: Der rasante Aufstieg von Mixed Martial Arts zeigt ein weltweites Interesse an neuen Kampfsportarten. Die schnelllebige Zeit verlangt Veränderungen. Erst seit 20 Jahren gibt es MMA, seit 13 Jahren wird es hoch professionell betrieben. MMA breitet sich weiter rasch aus, weil es viele Facetten an Sport bietet. Im Oktagon wird nicht nur mit den Fäusten gekämpft, gezeigt werden Techniken aus Karate, Jiu-Jitsu, Wrestling, Judo oder Kickboxen. In den USA hat MMA das klassische Boxen schon überholt.
Die geschäftstüchtigen Macher haben mit Regelverschärfungen den richtigen Weg eingeschlagen. In Deutschland ist der Widerstand der Gesetzeshüter groß, hier wird aber von den MMA-Chefs intensive Lobbyarbeit betrieben. Die Macher haben längst erkannt, wie man auch ohne Fernsehen die Massen erreicht. Ihre Streams im Internet erreichen Rekordwerte, ihre Sportart ist längst fester Bestandteil etlicher Videospiele der Jugendkultur.
Kontra: Die Brutalität schreckt die meisten Sportfans weiter ab. Zwar können die MMA-Macher die Regeln weiter verschärfen, doch sie brauchen auch eine gewisse Härte, um ihren Fans weiter den besonderen Kick zu garantieren. Dadurch wird die Sportart hierzulande in der breiten Gesellschaft nie richtig ankommen. Gerade die Fülle an Kampfstilen macht den Vollkontaktwettbewerb unübersichtlich. Der Zuschauer kann kaum Grenzen entdecken und meint, alles ist möglich. Es ist schwierig, die Klasse eines Athleten einzuschätzen. Wenn er nicht boxen kann, holt er sich den Gegner zu Boden und versucht es mit Judo oder Ringen.
Die Zeiten für Kampfsport in Deutschland sind schlecht. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen trennt sich gerade vom letzten Profiboxpartner, weil es zu brutal ist. Der organisierte deutsche Sport kann MMA weiterhin nicht akzeptieren und untersagt jegliche Unterstützung. Es kann sich keine Basis mit Gyms und Nachwuchskämpfern etablieren. SID/nd
Doch die harte Gangart im Käfig mobilisiert die Gegner. Vor allem die Regel, dass beim Bodenkampf noch geschlagen und zum Teil getreten werden darf, macht den Sport angreifbar. Oft wird ein Gegner mit Faust- und Ellenbogenhieben so lange bearbeitet, bis Blut spritzt. Gleichzeitig muss man der UFC zu Gute halten, dass sie die Regeln verschärft hat. Techniken wie Kopfstöße, Tiefschläge und das Einführen von Fingern in Körperöffnungen wurden abgeschafft. Box-Größen gehen die Einschränkungen nicht weit genug. »Es ist ein brutaler Sport. Doch wer es mag, soll es sich ansehen«, sagt Champion Arthur Abraham. IBF-Weltmeister Felix Sturm zeigt Respekt: »Die Jungs machen noch einige Dinge mehr als wir. Sie können einen schnell auf den Boden holen.« Sturm meint aber auch: »Da kann jeder Kampf der letzte sein!«
Zu Beginn des MMA Anfang der 90-er Jahre war noch alles erlaubt. US-Filmregisseur John Milius (»Conan, der Barbar«) hob den Sport aus der Taufe. Er wollte wissen, in welcher Kampfsport der wahre Champion zu finden ist und lud Kämpfer aller Stile (Boxen, Kickboxen, Ringen, Judo, Karate, Muay Thai, Jiu-Jitsu) ein. Als 2001 die Brüder Fertitta die UFC kauften, ging es bergauf. TV-Sender wie »Fox« sprangen an und machten die »gemischten Kampfkünste« dem Mainstream zugänglich. Eine Erfolgsstory, die sich in Deutschland nicht fortsetzen ließ. Als 2010 im damaligen »DSF« erste Kämpfe gezeigt wurden, schritt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien ein und verbot das Format. Eberhard Gienger, sportpolitischer Sprecher der CDU im Bundestag, kann dem Kampfsport bis heute nichts abgewinnen. »Da zieht sich bei mir alles zusammen. Wenn einer am Boden liegt, wird da noch draufgehauen«, sagt der frühere Turnweltmeister.
Die UFC aber lässt nicht locker. Beim Kampfabend am Samstag in der Arena am Berliner Ostbahnhof vor 12 000 Zuschauern trifft der frühere Wrestler Mark Munoz auf den Ex-Kickboxer Gegard Mousasi, der es sogar mit Boxchampion Wladimir Klitschko aufnehmen will: »Ich würde ihn schlagen. Er ist der bessere Boxer. Aber er hat keine Techniken am Boden.«
Ginge es nach Berlins Innensenator Frank Henkel, wäre der Kampfabend am Ostbahnhof nie zustande gekommen. »Das ist für mich kein Sport, sondern ein gewaltverherrlichendes Schauspiel«, sagt der CDU-Politiker. Henkel sieht bei der Veranstaltung aber keinen Handlungsspielraum: »Auf private Hallen hat der Senat keinen Zugriff.«
Die ablehnende Haltung der Politiker können einige Mediziner nicht verstehen. Der Düsseldorfer Sportarzt Mahmoud Taghavi betreut MMA-Events und schreibt an einer Studie über Verletzungen bei dem Käfigsport: »Während eines Boxkampfes gehen die meisten Schläge bis zu zwölf Runden lang in Richtung Kopf. Und dort entstehen die gravierenden Verletzungen in Bezug auf neurologische Folgeschäden. Beim MMA enden statistisch gesehen von zehn Kämpfen drei oder vier, in denen es zu kaum einer Schlagwirkung gegen den Kopf kommt.« SID
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