Viel Kritik an EZB-Zinsentscheid
Banken: Das kurbelt die Kreditvergabe nicht an / Sparkassen: Placebopolitik auf Kosten der Sparer / Linkspartei: Merkel und Draghi plündern die Sparguthaben / Börsenanleger dagegen in Laune / Lob von Hollande
Berlin. Die Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank ist weithin auf Kritik gestoßen. Kanzlerin Angela Merkel und EZB-Chef Mario Draghi »spielen zusammen für das Team der Finanzlobbyisten« und plünderten die Sparkonten, sagte Linksfraktionsivze Sahra Wagenknecht am Donnerstag. Die deutsche Regeirungschefin würde »durch europaweites Lohndumping und Bankenrettungen zu Lasten der Steuerzahler für Rekordschulden, Stagnation und Deflationsgefahr« sorgen, während »der ehemalige Bankenlobbyist und Goldman-Sachs-Boy Draghi« die Steilvorlage gerne annehme und »mit immer kreativeren und radikaleren Methoden Geld in die Finanzbranche« pumpe. Wagenknecht kritisierte, selbst durch negative Einlagenzinsen für Geschäftsbanken würden keine zusätzlichen Kredite an Unternehmen vergeben. »Sparguthaben und Lebensversicherungen dagegen werden von Merkel und Draghi geplündert, weil die Geldschwemme die Realzinsen in den negativen Bereich drückt.«
Der EZB-Rat hatte sich am Donnerstag für eine Absenkungen des Leitzinses auf 0,15 Prozent und für weitere Schritte entschieden, um die Kreditvergabe und mit ihr die Teuerungsrate anzukurbeln. Für Sparer dürfte es dadurch noch schwieriger werden, Anlagen zu finden, mit denen sich wenigstens die Geldentwertung abfedern lässt. Kritik kommt unter anderem von den Sparkassen. Deren Verband sagte, die Europäische Zentralbank habe sich auf einen »gefährlichen Weg« begeben. »Statt der erhofften Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört«, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon, am Donnerstag. Die Maßnahmen machten die Finanzmärkte auch nicht stabiler - »im Gegenteil, das überreichliche Geld quillt schon jetzt aus allen Ritzen und sucht sich immer riskantere Anlagemöglichkeiten«.
Auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sieht die heutige Zinsentscheidung skeptisch. Die Senkung des Leitzinses sowie der negative Einlagensatz für die Banken seien »Placebopolitik auf Kosten der Sparer«, sagte Verbandspräsident Uwe Fröhlich. Den kriselnden Eurostaaten werde dieser Zinsschritt nicht helfen. Und »für die in Deutschland verwurzelte Sparkultur dagegen ist die Entscheidung ein schlechtes Signal«.
Kritik kommt ebenso vom Bundesverband deutscher Banken. Ein negativer Zins auf die Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB werde »kaum zur gewünschten Belebung der Kreditvergabe und des Interbankenmarktes führen«, sagte Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer am Donnerstag. An Liquidität zur Kreditvergabe mangele es nicht. Es seien »eher überschuldete Unternehmen und hohe Kreditrisiken, die in den Peripherieländern eine Ausweitung der Kreditvergabe verhindern«. Auch die Leitzinssenkung auf 0,15 Prozent wäre nicht nötig gewesen, weil die Wirtschaft im Euro-Raum inzwischen auf einen Erholungskurs eingeschwenkt sei.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte den Zinsentscheid der EZB nicht bewerten. »Die EZB trifft ihre Entscheidungen unabhängig. Das haben wir immer so gesehen, und das werde ich nicht kommentieren«, sagte die Kanzlerin in Brüssel. »Wir nehmen das zur Kenntnis und gehen dann mit der Situation um.« Frankreichs Staatschef François Hollande hat sich dagegen erfreut über den historischen Zinsentscheid gezeigt. »Ich begrüße die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank, die Zinssätze zu senken und die Finanzierung der Wirtschaft zu verbessern«, sagte Hollande am Donnerstag in Brüssel nach dem Gipfeltreffen der sieben führenden Industrienationen (G7). Die EZB habe gezeigt, dass sie sich angesichts der niedrigen Inflation der Gefahr einer Deflation für die Wirtschaft bewusst sei. Das mit wirtschaftlichen Problemen kämpfende Frankreich hatte in den vergangenen Wochen eine offensivere Geldpolitik der EZB gefordert.
Die EZB-Entscheidung sorgte auch für neue Höchststände an den Börsen. Der Dax übersprang erstmals in seiner fast 26-jährigen Geschichte die Marke von 10.000 Punkten. Agenturen/nd
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