Marx vorerst vom WM-Trikot befreit
Umstrittenes Stadtmarketing mit dem Chemnitzer »Nischel«: WM-Leibchen in der Nacht verschwunden – und wieder aufgetaucht
Chemnitz. Aufregung um den Chemnitzer »Nischel«: Eine Woche vor Beginn der Fußball-WM hatte die Stadt Chemnitz ihr Wahrzeichen - das Karl-Marx-Monument - mit einem riesigen Deutschlandtrikot umhüllt und den einstigen namensgeber der Stadt im Gesicht Schwarz-Rot-Gold angepinselt. In der Nacht zum Freitag wurde das Kunststoffbanner gestohlen - am Vormittag tauchte es jedoch nicht weit entfernt wieder auf. »Wir prüfen jetzt, wie stark es zerstört ist. Auf jeden Fall wurde es besprüht«, sagte eine Sprecherin der Stadt und bestätigte Medienberichte. »Wir hatten damit gerechnet, dass es eine Debatte geben würde«, sagte die Stadtsprecherin. Sowohl die Fußball-WM als auch der Umgang mit dem Karl-Marx-Denkmal polarisiere nunmal. Was mit dem Trikot allerdings geschehen sei, habe nichts mit Streitkultur zu tun. »Das ist schlichtweg Diebstahl.«
Erst am Donnerstag war der Sockel des »Nischels« mit dem etwa 18 Meter langen Kunststoffbanner versehen worden - weiß mit schwarz-rot-goldenen Streifen. Auch im Gesicht trägt die Marx-Büste Fan-Farbstreifen. »Mit dieser Aktion macht sich Chemnitz schick für die Fußball-Weltmeisterschaft und präsentiert sich sympathisch und mit einem Augenzwinkern als weltoffene und tolerante Stadt, die zudem bereit auf die Fußball-Weltmeisterschaft ist«, sagte eine Sprecherin der Stadt zu der Aktion. Chemnitz will Marx damit zum »größten und schwersten Deutschlandfan der Nation« machen. Am Gebäude hinter der Büste ist zudem in Anlehnung an die berühmten Worte aus dem Manifest ein Transparent angebracht: »Fußballfans aller Länder, wir grüßen Euch«. Auf Facebook und Twitter sorgte die Aktion für heftige Diskussionen - und viel Kritik.
»Ob es sich bei dem Diebstahl um einen dummen Streich oder eine Tat von Gegnern der WM-Aktion handelt, ist noch unklar«, heißt es dazu beim MDR. »Die Polizei will nach eigenen Angaben Ermittlungen aufnehmen, obwohl zunächst noch keine Anzeige erstattet wurde.« Unter Berufung auf Augenzeugen soll das Trikot mit dem Zitat »Arbeiter haben kein Vaterland« besprüht worden sein, das aus dem »Manifest« stammt. Laut »Freier Presse« war die Entfernung des Trikots zuvor auch anonym angekündigt worden. nd/mit Agenturen
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.