Gentechnikfreie Zonen bröckeln
Auch das geplante Freihandelsabkommen TTIP könnte Gentechnik erleichtern
Seit Jahren beschweren sich Saatgutkonzerne wie BASF, Monsanto oder Pioneer über die langsam mahlenden Mühlen in Brüssel. Jetzt könnte ausgerechnet die Idee eines nationalen Anbauverbotes den Unternehmen den lang ersehnten Fuß in der Tür ermöglichen. Doch die Konzerne setzen längst nicht mehr allein auf diesen doch sehr langsamen Türöffner.
Im momentan verhandelten Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und Europa versuchen Unternehmensverbände und andere Lobbygruppen, den europäischen Markt für gentechnisch veränderte Lebensmittel durchlässig zu machen.
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Denn in den USA gibt es weder eine Kennzeichnungspflicht noch ein Anbauverbot. Dementsprechend gebe es auch keine Kontrollsysteme, erklärt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament. »Für die USA ist unsere Kennzeichnungsnorm für gentechnisch veränderte Produkte nicht akzeptabel«, sagt er und befürchtet, dass es für gentechnikfreie Produkte in Europa eng werden könnte.
Dabei wird im TTIP nicht direkt über Gentechnik verhandelt. Stattdessen könnten die bisherigen EU-Verbote von genetisch veränderten Nahrungsmitteln unterlaufen werden, weil sie in den USA - ähnlich wie Zölle - als wettbewerbswidrige »technische Handelsschranken« gesehen werden. »Die Industrie versucht, über TTIP Gesundheits- und Sicherheitsregeln loszuwerden, die sie auf nationalem Level nie abbauen könnte«, sagt Ed Mierzwinski vom Transatlantischen Konsumentendialog, einem Verbund von Nichtregierungsorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks gegenüber der »Zeit«.
Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein unterschiedliches Prinzip im Verbraucherschutz. In der EU basieren die Vorschriften für die Sicherheit von Nahrungsmitteln auf dem Vorsorgeprinzip. Damit ermöglicht sich die EU, alle Einfuhren, die ein potenzielles Risiko für Mensch oder Umwelt darstellen, so lange zu beschränken bis gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen.
Die USA gehen den umgekehrten Weg: Exportiert werden darf alles, was nicht nachweisbar gefährlich ist. »Derartige Entscheidungen erfolgen mittels einer Kosten-Nutzen-Analyse der Risiken und mit Daten, die als ›belastbare wissenschaftliche Fakten‹ gelten - und die etwa im Fall der Unbedenklichkeitserklärung für gentechnisch modifizierte Organismen direkt von der Industrie kamen«, erklärt die US-amerikanische Agrarwissenschaftlerin Karen Hansen-Kuhn.
Auch Verbraucherschützer in den USA fordern seit längerem eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte. Zwei Staaten haben bereits entsprechende Gesetze verabschiedet, auch wenn sie diese nicht umsetzen werden, solange keine weiteren Staaten hinzukommen. »Diese Kampagnen werden durch das Abkommen untergraben«, sagt Hansen-Kuhn.
Welche Auswirkungen das Freihandelsabkommen auf die neue EU-Gentechnikrichtlinie haben wird, ist noch umstritten. Beide jedoch stärken die Rolle der multinationalen Unternehmen. Und diese könnten zukünftig über Klagen - sei es vor der WTO oder dem Europäischen Gerichtshof - ihren Druck auf die Mitgliedstaaten erhöhen. Auf der Wunschliste der Unternehmen stehen auf jeden Fall beschleunigte Zulassungsverfahren, die neue EU-Gentechnikrichtlinie könnte genau das zur Folge haben. Trotz nationaler Anbauverbote.
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