WM-Eröffnungstag: Proteste in Sao Paulo und Rio

Polizei geht mit Gummigeschossen, Tränengas und Blendgranaten vor / Bundestrainer Löw äußert Verständnis für friedliche Demonstrationen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Gummigeschosse, Tränengas, Blendgranaten: Nach den Protesten in der WM-Eröffnungsstadt São Paulo ist es am Donnerstag auch in Rio de Janeiro zu Demonstrationen gekommen. Hunderte WM-Gegner beteiligten sich an einem Marsch im Zentrum der Millionenmetropole, etwa zehn Kilometer vom FIFA-Fanfest an der Copacabana entfernt. Die Polizei war mit einem massiven Aufgebot vor Ort. Es gab mindestens drei Festnahmen. Zuvor schon war es vor dem Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Kroatien zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei in São Paulo gekommen. Auch dort löste die Polizei die Proteste gewaltsam auf. Wenig später begannen sie an anderer Stelle, es folgten regelrechte Jagdszenen.

Jirka Grahl berichtet aus Brasilien.
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Die Demonstranten hatten ein Transparent mit der Aufschrift »Wenn wir keine Rechte haben, wird es keine WM geben« ausgerollt. Ein Mann, der sich widersetzte, wurde mit Gummigeschossen beschossen und festgenommen. Brasilianische Medien berichteten zunächst von mindestens zwei verletzten Demonstranten und vier verletzten Journalisten, Augenzeugen berichteten von deutlich mehr. Die U-Bahn-Angestellten sagten wegen der Zwischenfälle zunächst ihre geplanten Streiks ab, was zu Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Gruppen der Aufständischen führte.

Ein Demonstrant sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass das Ziel der Demo die Besetzung des Stadions sei. Die Aktivisten wollen den WM-Start verhindern. »Brasilianer lieben den Fußball, aber wir brauchen diese WM nicht. Alle Brasilianer sollten sich erheben.« Am Mittag Ortszeit hatte sich die Lage halbwegs beruhigt. Vor allem das fordern die Demonstranten, die seit dem Confed Cup im Vorjahr immer wieder auf die Straße gegangen waren: Ein besseres Bildungs- und Gesundheitssystem sowie eine verbesserte Infrastruktur. Die milliardenschweren Investitionen in die Stadien, von denen viele nach der WM nicht ausreichend genutzt werden können, stellen für sie unverhältnismäßige Ausgaben am falschen Ort dar.

An der Copacabana selbst herrschte ausgelassene Karnevalsstimmung. Tausende Fans aus vielen WM-Teilnehmerländern zogen singend mit Fahnen und Nationaltrikots über die Strandpromenade. In Rio wird am 13. Juli das WM-Finale ausgetragen.

Derweil hat Bundestrainer Joachim Löw Verständnis für friedliche Demonstrationen bei der Fußball-WM in Brasilien geäußert. »Ich habe immer gesagt, ich unterstütze, was die Leute einfordern. Bildung, Gesundheitswesen, Erziehung - das ist elementar und auch für Brasilien die Zukunft«, sagte Löw am Donnerstag in Santo André. »Ich glaube schon, dass die Leute, die für so etwas eintreten, das Richtige tun - wenn es friedlich abläuft.« Die aktuellen Proteste habe er »nicht wahrgenommen«, sagte Löw. Agenturen/nd

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