Fernbus-Armada überrollt Sachsens Städte
Viele Kommunen sind auf den Boom der Branche nicht vorbereitet, es fehlt an geeigneten Halteplätzen
Dresden. Im Freistaat Sachsen machen immer mehr Fernbusse Halt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums in Dresden hat sich die Zahl der privaten Fernbusangebote seit vergangenem Jahr mehr als verdoppelt. Rund 50 Linien bedienen mittlerweile fünf Städte - neben den Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz sind auch Zwickau und Plauen am Netz. »Es gibt zahlreiche Angebote, die den Geldbeutel schonen sowie Umwelt und Verkehrswege entlasten«, sagte ein Ministeriumssprecher. Doch mitunter sind die sächsischen Kommunen für das wachsende Netz und den Ansturm der Passagiere nicht gerüstet.
In Dresden halten die Fernbusse derzeit in einer Nebenstraße des Hauptbahnhofs. Parkende Busse, Autos und Reisende teilen sich die Straße - häufig ist deshalb von einem Fernbus-Chaos die Rede. Die Kapazitäten sind laut Stadt für den wachsenden Bedarf nicht ausreichend. »Den Bau eines Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) halten wir daher für wichtig und dringlich«, so Baubürgermeister Jörn Marx (CDU). Zwar hat der Stadtrat den Bau eines ZOB nördlich des Bahnhofs beschlossen und will auch für den Ausbau zahlen - noch aber fehlt dafür das Geld.
Der Fernbus-Markt ist weiter stark auf Wachstumskurs - mit Folgen für die Bahn. Die Deutsche Bahn gehe in diesem Jahr von einem Umsatz aller Fernbusanbieter von bis zu 160 Millionen Euro aus, für 2015 rechne sie damit, dass er auf 350 Millionen Euro steige, berichteten der »Tagesspiegel« sowie die »Wirtschaftswoche« unter Berufung auf ein internes Bahn-Papier.
Die Bahn gehe davon aus, dass sie in diesem Jahr 40 Millionen Euro Umsatz an die Fernbusse verliere. »Das haben wir unterschätzt«, zitierte der »Tagesspiegel« einen Bahn-Manager. Der Konzern wollte dazu nicht Stellung nehmen. Der Fernbus-Markt boomt seit der Liberalisierung zum Jahresbeginn 2013. Busunternehmer haben bundesweit bisher mehr als 200 neue Linien angeboten. Die Bahn betreibt inzwischen zwar auch Fernbuslinien, spürt aber die Konkurrenz bei den Fernzügen. Allerdings fällt das Umsatzminus verglichen mit dem Gesamtumsatz des Unternehmens marginal aus: Der Staatskonzern erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 39 Milliarden Euro. dpa/nd
Wer für die Finanzierung von Haltestellen der privaten Busunternehmen zuständig ist, darüber herrscht Uneinigkeit. Leipzig etwa sieht sich für die Errichtung eines Fernbusbahnhofs nicht in der Pflicht - und verweist auf das Personenbeförderungsgesetz. Demnach seien die Betreiber von Fernbuslinien gefordert, Haltepunkte einzurichten. Derzeit stoppen die Busse in der Leipziger Goethestraße. Die Kapazitäten seien zwar nicht optimal, aber ausreichend, so ein Stadtsprecher. Seit Monaten werden alternative Lösungen diskutiert, darunter eine Haltestelle auf stillgelegten Gleisen im Hauptbahnhof.
Busunternehmen halten dagegen: »Wir sehen die öffentliche Hand in der Pflicht«, sagte Matthias Schröter vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). An den meisten Anlaufstellen in Deutschland sei die Infrastruktur unzureichend. Auch Anbieter wie MeinFernbus, FlixBus und BerlinLinienbus sehen den Ausbau als Aufgabe der Kommunen. Die Buslinienbetreiber beteiligen sich nach eigenen Angaben bereits mit Nutzungsgebühren an den Kosten, sie zahlen zwischen 5 und 13 Euro je Abfahrt. Das Unternehmen MeinFernbus zeigt für das Zögern vieler Städte jedoch Verständnis: »Der Fernbus-Markt expandiert so stark, dass man den tatsächlichen Bedarf erst prüfen und abwarten muss«, erklärte ein Sprecher.
Das sächsische Wirtschaftsministerium kennt das Problem und sieht für den nächsten Doppelhaushalt zusätzliche Fördermöglichkeiten vor. »Die Bahnhöfe sind wichtige Schnittstellen, an denen eine kundenfreundliche Vernetzung verschiedener Verkehrsmittel - Fernbus und Bahn - möglich sein muss«, erklärte Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP). Damit sollen die Bedingungen für die steigende Zahl an Fernbus-Fahrgästen attraktiver gestaltet werden. Sachsen hatte sich zusammen mit anderen Bundesländern für eine Liberalisierung des Busverkehrs eingesetzt. Zu 1. Januar 2013 waren Beschränkungen für Fernbusse weitgehend abgeschafft worden. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.