Heißbegehrtes Kirkuk

Araber, Kurden, Turkmenen richten ihre Begehrlichkeiten auf die nordirakische Stadt

  • Jan Keetman
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen die Dschihadisten sind sich die anderen Gemeinschaften Iraks einig. Was aber nach einem möglichen Sieg geschieht, ist offen.

Um die Erdölstadt Kirkuk droht Irak ein neuer Konflikt. Nach dem Abzug der irakischen Armee haben kurdische Peschmerga-Truppen die Kon᠆trolle über Kirkuk übernommen, um die Stadt vor der Einnahme durch die sunnitische Glaubenskriegertruppe Islamischer Staat in Irak und Syrien (ISIS) zu schützen. Doch bei weitem nicht alle Einwohner sind begeistert. Nicht weil sie die bärtigen Gotteskrieger herbeisehnen, sondern weil sie den Kurden nicht trauen.

Arshad Salihi, Präsident der Irakischen Turkmenenfront (ITF), versammelte einige bewaffnete Männer vor dem Büro der ITF und drohte zu kämpfen, falls die kurdische Regionalregierung die Kontrolle über Kirkuk nicht an die Zentralregierung in Bagdad zurückgibt.

Kirkuk ist eine gespaltene Stadt. Dort leben Turkmenen, Kurden, Assyrer, sunnitische Araber und - vom 2006 hingerichteten Staatschef Saddam Hussein angesiedelt - schiitische Araber. Viele Turkmenen sind während der britischen Mandatsherrschaft in den 20er Jahren nach Kirkuk gekommen, um in der Ölindustrie zu arbeiten, wo sie einen großen Teil der Ingenieure stellen. Die Turkmenen bildeten aber schon vorher ein wichtiges Bevölkerungselement in der Region. Ebenso die Kurden, deren in Liedern besungene heiße Liebe zu Kirkuk auch etwas mit dessen ökonomischer Bedeutung zu tun hat. Unwahrscheinlich, dass sie, die vor vierzig Jahren im Kampf um Kirkuk ihre dramatischste Niederlage gegen die irakische Zentralregierung erlitten haben, einfach wieder abziehen, sobald Bagdad die Stadt wieder selbst kontrollieren kann.

Allerdings verfügt die ITF nicht über die Streitkräfte, um die Kurden aus Kirkuk zu vertreiben. Turkmenenführer Salihi droht nur damit, sie aufzustellen, um gegebenenfalls loszuschlagen. Doch das ist leichter gesagt als getan. In diesem Zusammenhang ist wohl auch ein dramatischer Hilfsappell zu sehen, den der Sprecher der ITF, Ali Mehdi, im Gespräch mit einem türkischen Fernsehsender äußerte. Laut Mehdi könnten die nur an den Kampf in den Bergen gewöhnten Peschmerga aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung im Straßenkampf Kirkuk höchstens 24 Stunden gegen einen Angriff von ISIS halten. Folglich bat Mehdi dringend um ein Eingreifen der Türkei oder anderer auswärtiger Mächte.

Am Dienstag gab es Kämpfe zwischen ISIS und den Peschmerga um ein turkmenisches Dorf in der Nähe von Kirkuk. Doch die Furcht vor einer raschen Einnahme der Stadt scheint übertrieben. Die Kurden werden aus Kirkuk sicher nicht in Panik fliehen wie die irakische Armee aus Mossul. Wenn Kirkuk überhaupt erobert werden kann, so müsste ISIS um die Stadt wohl lange kämpfen.

Ungeachtet dessen sitzt das Misstrauen gegenüber den Kurden bei vielen turkmenischen und sicher auch arabischen Einwohnern tief. Nicht gerade zur Bildung von Vertrauen beigetragen hat die Plünderung eines irakischen Militärlagers durch die Kurden. Viele Waffen waren nachher auf dem Markt in Kirkuk billig zu erwerben. Es ist anzunehmen, dass zumindest ein Teil der Ausrüstung demnächst bei zahlungskräftigen Dschihadisten landet.

Von einigen Fehlern der Maliki-Regierung in Bagdad, wie die Unterdrückung politischer Konkurrenten und Korruption, ist auch die kurdische Regionalregierung in Erbil nicht frei. Indessen dürften Christen und Schiiten in Kirkuk und sicher auch viele Turkmenen insgeheim froh darüber sein, dass nun eine verlässlichere Armee in der Stadt steht.

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