Wenn der ÖPNV nicht mehr aufs Land kommt

Eine von ostdeutschen Linksfraktionen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderte Studie fordert Priorität für die Daseinsvorsorge

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
In Brandenburg und Thüringen wird über Funktional- und Strukturreformen diskutiert. Eine Studie zeigt nun Ansätze, wie dort künftig kommunale Kernaufgaben gelöst werden können.

Vielen Kommunen in Deutschland geht es schlecht. Im Osten stehen sie vor Herausforderungen, die vor allem die demografische Entwicklung und eine sich zuspitzende strukturelle Unterfinanzierung mit sich bringen. Mit der Frage, was dies für die Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge bedeutet, hat sich nun Michael Schäfer in der Studie »Daseinsvorsorge - oberstes Gebot für jede Kommunalreform« beschäftigt. Der Professor für Kommunalwirtschaft an der Hochschule im brandenburgischen Eberswalde brachte bei der Vorstellung seiner Untersuchung die Probleme auf den Punkt: »In vielen Regionen werden die Menschen ärmer, älter und weniger.«

Unter die Lupe genommen hat der Forscher vor allem die Situation in Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die Studie wurde von den dortigen Landtagsfraktionen der LINKEN und der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert. In dem Papier wird konstatiert, dass Landesregierungen im Osten sich gezwungen sahen und sehen, »kontinuierlich über mögliche Effizienzgewinne durch die Anpassung administrativer Strukturen nachzudenken«. Landkreise, kreisfreie Städte, Ämter und Gemeinden wurden zusammengelegt. Zugleich kam es in der Regel zu einer Reduzierung des Spektrums der angebotenen Leistungen der Daseinsvorsorge. Diese sollen allgemein sicherstellen, dass die lebensnotwendigen Güter verfügbar sind.

Funktional- und Strukturreformen werden demnächst wohl auch in Brandenburg und Thüringen anstehen. Sie sollen dort in den kommenden Legislaturperioden nach den Landtagswahlen im September dieses Jahres in Angriff genommen werden. Schäfer forderte, dass hierbei realistisch analysiert werden müsse, »in welcher Weise kommunale Kernaufgaben künftig gelöst werden«.

Problematisch ist beispielsweise in manchen Regionen das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Diese Leistungen stehen vor allem als freiwillige Leistungen in den Landesgesetzen. Damit bleibt es eine Frage der kommunalen Kassenlage, ob etwa ein Rentner ohne Auto in der brandenburgischen Uckermark zum Arzttermin in der Kreisstadt per ÖPNV kommt. Kritisch wird dazu in der Studie angemerkt, dass »Mobilität zur Realisierung elementarer Lebensfunktionen kein beliebiges Gut« sei. Vielmehr nehme die existenzielle Bedeutung der Mobilität vor allem im Kontext der soziodemografischen Szenarien sogar zu.

Deswegen schlägt der Autor vor, eine Unterscheidung in »existenzielle« und »nichtexistenzielle« Leistungen vorzunehmen. Welche Angebote für die Bürger unverzichtbar sind, müsste auf politischer Ebene diskutiert werden. Aus Sicht von Schäfer soll die Daseinsvorsorge »im Grundgesetz verbindlich als staatliche Aufgabe mit den Kommunen als erstrangige Verantwortungs- und Realisierungsebene« normiert werden.

Künftig müssten laut Studie in Ober- und Mittelzentren alle Aufgaben der Daseinsvorsorge angesiedelt werden. Statt vor allem hohe Erträge erzielen zu wollen, sollte hier »die elementare Aufgabe darin bestehen, Nutzen für die Bewohner zu stiften«. Im Zentrum dieser Überlegungen stehen die kommunalen Unternehmen. In einigen Bereichen gibt es bereits einen Trend zur Rekommunalisierung. Das sind Prozesse, in denen die Privatisierung zuvor öffentlich-rechtlicher Aufgaben und Vermögen wieder rückgängig gemacht wird und diese in kommunale Trägerschaft übergehen.

Um die Angebote der Daseinsvorsorge für die Bürger bereitstellen zu können, benötigen die Kommunen mehr Geld. Denn durch Überregulierung und Unterfinanzierung wurde die kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt. Die frühere LINKE-Bundestagsabgeordnete und heutige Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dagmar Enkelmann, forderte, der Bund müsse eine kommunale Finanzreform auf den Weg bringen, um die Selbstständigkeit der Kommunen zu erhöhen. Die LINKE hatte unter anderem vorgeschlagen, die bisherige Gewerbesteuer auf eine breitere Basis zu stellen und in eine Gemeindewirtschaftssteuer umzuwandeln. Die Studie regt zudem an, dass »Kommunen die Möglichkeit erhalten, auf relevante Steuern wie beispielsweise die Einkommenssteuer mit primär zugreifen zu können«.

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