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Fanmeile forever

  • Thomas Wieczorek
  • Lesedauer: 2 Min.
Nicht einmal eine Woche ist es her, dass Millionen fröhlicher und begeisterter Menschen die Fanmeilen und Innenstädte bevölkerten, da werden viele von Entzugserscheinungen geplagt. Aber nicht nur besonders eingefleischte Fußballfans und heiterkeitsversessene Normalbürger, sondern auch viele Politiker scheinen sich die rauschenden Massenpartys als Dauerzustand zu erträumen: Wer mitfiebert und feiert, protestiert nicht! Selbst Angela Merkel konnte trotz Gesundheitsreform und Hartz-IV-Verschärfung endlich einmal - auf der Ehrentribüne zwar - meist relativ unbehelligt in der Menge baden. Deshalb prüft man im Kanzleramt jetzt fieberhaft, Fanmeilen und Straßenfeste zur Dauereinrichtung zu machen, inklusive der Großleinwände. Eigentlich könnte es sofort losgehen: Die Tour de France mit erfolgversprechender deutscher Beteiligung läuft ja noch bis nächsten Sonntag gut fünf Stunden täglich. Anschließend kämen das Frauen-Tennisturnier in Budapest, der Beachvolleyball-Grand-Slam in Paris und die Reiter-EM für Ponys in Fontainebleau, die Formel 1 in Hockenheim in Betracht - und irgendwann wäre ja wieder Fußball-Bundesliga dran. Binnen eines Jahres könnte die Politik dann klammheimlich die Hälfte des Gesamtvermögens der Bevölkerung in die Taschen der Reichen umleiten. Dies könnte allerdings eine Milchmädchenrechnung sein: Zum einen heißt das antike Erfolgsrezept »Brot und Spiele« - nicht »Spiele statt Brot«. Zum anderen belegen nicht nur Umfragen, dass die Regierung keineswegs von der WM-Euphorie profitiert hat. Sogar auf dem Höhepunkt der Begeisterung, bei der Siegerehrung für das deutsche Team, verwandelte sich ohrenbetäubender Jubel in ein gellendes Pfeifkonzert, als der Stadionsprecher das Reizwort »Merkel« erwähnte. Hinzu kommt: Wichtiger als der Fußball selbst war nach Soziologenmeinung die Erfahrung des gemeinsamen Feierns - einer nicht unwichtigen Vorform der »Solidarität«. Nicht auszudenken, würde aus dem millionenfachen »Public Viewing« ein ebenso massenhaftes »Public Protesting«.
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