Keiner will die Party verlassen
Lateinamerikas Fußballer zelebrieren die WM, ein Halbfinalteilnehmer ist Südamerika sicher
Wie bleibt man erkennbar als Kolumbiens größter Fußballer aller Zeiten, auch wenn man schon 52 Jahre alt ist? Ganz einfach: Man trägt einfach bis ans Ende seiner Tage jene blondierter Kaltwelle, mit der man bereits in den 80er und 90er Jahren über den Rasen stolziert ist. Wenn sich Carlos Valderrama dieser Tage durch Rio bewegt, bilden sich sofort Menschentrauben um ihn. He, das ist Valderrama, »El Pibe«, zweimal Südamerikas Fußballer des Jahres, in den 90er Jahren, in denen noch der große Maradona spielte.
Seit seinem Karriereende hatte Kolumbien gezweifelt, ob es je einen ähnlich erfolgreichen Nachfolger für den exzentrischen Ballverteiler aus Santa Marta geben könne. 2014 besteht Hoffnung, verrät Valderrama: »Warten wir es ab«, sagt er schmunzelnd. »Diese Generation kann etwas erreichen, was wir nicht erreicht haben. Wir haben damals einmal ein viertes Spiel erreicht, also das Achtelfinale. Diese Mannschaft kann ein fünftes Spiel erreichen und vielleicht noch mehr. Mein Traum ist, dass Kolumbien bei einer WM ein siebtes Spiel macht und gewinnt.«
Gruppensieger Kolumbien hatte mit Griechenland, Elfenbeinküste und Japan leichtere Konkurrenz als andere, die drei Siege waren dennoch beeindruckend. Beim abschließenden 4:1 gegen Japan durfte der ehemalige Kölner Faryd Mondragon ab der 85. Minute das Tor hüten - eine Einwechslung, die Kolumbien schon einmal einen Platz in der Fußballgeschichte sicherte. Mondragon, bei seiner Einwechslung 43 Jahre und drei Tage alt, löste damit Roger Milla ab, der bis dahin der älteste je bei einer WM aufgelaufene Spieler war.
Im Maracana-Stadion, wird nun am Samstag um 13 Uhr Ortszeit der nächste Südamerikagipfel ausgetragen, nachdem Rio dieser Tage schon von Argentiniern und Chilenen in Beschlag genommen wurde. Kolumbien trifft auf Uruguay, dass am Dienstag Vizeeuropameister Italien mit 1:0 aus dem Wettbewerb warf. Dank des Turnierplans steht bereits fest, dass mindestens eine südamerikanische Mannschaft das Halbfinale erreichen wird. Gastgeber Brasilien spielt am Samstag gegen Chile. Die Sieger der beiden Matches begegnen sich im Viertelfinale am 4.Juli.
Die erste Heim-WM seit 1978 hat die Teams des Kontinents beflügelt: Mit Costa Rica, das England und Italien aus dem Turnier warf, und Mexiko sind bereits zwei Mannschaften aus Mittelamerika im Achtelfinale. Fünf südamerikanische (Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Uruguay) haben ebenfalls die Runde der letzten 16 erreicht. Und Ecuador war am Mittwochabend (nach Redaktionsschluss) im Spiel gegen Frankreich die Qualifikation noch möglich.
»Ein Klima wie bei der Copa America«, bejubelt die Zeitung »O Globo« und konstatiert stolz das beste Abschneiden Lateinamerikas seit der WM 1986. Dem schnellen, kompromisslosen, körperbetonten Spiel der Lateinamerikaner hatten einige saturierte europäische Mannschaften nur wenig entgegenzusetzen.
Was die Fans angeht, ist die WM längst Fußballfestival geworden: 50 000 Chilenen bevölkerten Rio de Janeiro, als ihre »La Roja« Spaniens »Rote Furie« aus dem Turnier warf. 60 000 Kolumbianer waren in Belo Horizonte unterwegs, als Kolumbien die Griechen 3:0 bezwang. Und am Mittwoch wurden 100 000 Argentinier zum letzten Gruppenspiel der »Albiceleste« gegen Nigeria erwartet. Das Stadion in Porto Allegre liegt nur etwa 600 Kilometer von der Grenze entfernt, und die argentinischen Fans lassen sich keine Gelegenheit entgehen, im Land ihres Lieblingsfeindes Flagge zu zeigen. Zumal ihr Idol Messi sich langsam in Laune spielt.
Kolumbiens Superfußballer Carlos Valderrama hat eine sehr praktische Begründung für den mitreißenden Fußball gefunden, den Costa Rica, Chile, Kolumbien und Co. hier bisher gezeigt haben: »Es ist ganz einfach: Die Spieler wollen einfach nicht gehen. Sie wollen die Party weiterfeiern, mit ihren Leuten, mit den Argentiniern, Chilenen, Argentiniern, Kolumbianern, aber auch mit Bolivianern, deren Mannschaft gar nicht hier ist. Es gibt eine starke südamerikanische Identität, die über den Fußball hinausreicht. Das spüren die Mannschaften, und das ist Teil ihres Erfolgsgeheimnisses.«
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