Etappensieg statt Helferdienste

Jens Voigt sorgt für ersten Erfolg seines Teams CSC nach der Suspendierung von Ivan Basso

  • Tom Mustroph, Montélimar
  • Lesedauer: 3 Min.
Jens Voigt ist ein sympathischer Bursche, beliebt bei den Kollegen, den Journalisten und den Fans. Trotz seiner gewinnenden Art flieht er im Rennen oft die große Meute. Wahrscheinlich hat er ebensoviele Rennkilometer in Fluchtgruppen verbracht wie im Peleton. Viermal hatte er bei dieser Tour bislang versucht, dem Feld zu enteilen, viermal wurden er und seine Mitstreiter noch vor dem Ziel gestellt. Doch am Sonnabend hat es endlich geklappt.
Voigts Fünfergruppe fuhr schnell einen Vorsprung von über 20 Minuten heraus. Die Phonak-Mannschaft des Gesamtführenden Floyd Landis ließ die Männer vorn gewähren. »Ich habe Verständnis dafür«, meinte Voigt später im Ziel. »Oscar Pereiro (der neue Mann in Gelb) konnte in den Pyrenäen nicht mithalten. Er wird für Landis auch in den Alpen keine Gefahr darstellen.«
Taktisch ging Voigts Spiel brillant auf. Kurz vor dem Ziel musste sein ärgster Gegner Sylvain Chavanel abreißen lassen. Im Spurt erwies er sich dem Spanier Pereiro überlegen. »Ich hatte gemerkt, dass er müde war und sich nur noch an mein Rad hängte, umso viel Zeit wie möglich für das gelbe Trikot herauszufahren.«
Als »schönsten Tag« in seinem Rennfahrerleben bezeichnete er den Sonnabend. Das Erlebnis sei eindrucksvoller als 2001, als er einen Tag im gelben Trikot fuhr und die Etappe nach Sarran gewonnen hatte. »Damals war der Etappensieg eine Zugabe zu den zehn Tagen, in denen mein Team (Credit Agricole) das gelbe Trikot innehatte. Heute ist die Situation ganz anders.« Die dänische CSC-Mannschaft war wie vor den Kopf geschlagen, als ihr Kapitän Ivan Basso wegen Verwicklung in den Dopingskandal suspendiert wurde. Voigt hatte sich auf Helferdienste vorbereitet und nicht auf eigene Etappensiege. Der 34-Jährige konstatierte zwei Kilo Übergewicht und war frustriert, nicht sofort auf Attacke umschalten zu können. Fast einer Arbeitsverweigung glich sein indiskutables Zeitfahren (Letzter mit 10 Minuten Rückstand): »Da habe ich die entscheidenden Körner gespart«, meint er nun munter. Insgesamt sieht er CSC an einem »Wendepunkt«. Nach Bassos Ausscheiden und einer Sturzserie habe sich die Mannschaft zurückgemeldet. Über den Frust der vergangenen Wochen, über die anzunehmende tiefe Enttäuschung über seinen Kapitän mochte der blonde Renner in der Stunde seines Triumphes nicht sprechen. Auch nicht über Doping.
Im Rausch des Erfolgs bekannte der Mecklenburger strahlend: »Ich bin gar nicht erschöpft. Ich bin so glücklich, ich könnte sofort wieder aufs Rad steigen.« Vielen anderen Fahrern hätte man hier eine Ladung körperfremder Chemie unterstellt. Bei dem Mann, der sich oft so sensationell verausgabt hat, glaubt man noch immer gern, dass ihm die selbst produzierten Glückshormone nach dem Erfolg die Sinne etwas trübten.

13. Etappe, Béziers - Montélimar (230 km): 1. Voigt (Berlin) 5:24:36 h, 2. Pereiro (Spa) gl. Zeit, 3. Chavanel (Fra) + 0:40 min, 4. Quinziato (Ita) gl. Zeit, 5. Griwko (Ukr) + 6:24, 6. McEwen (Aus) + 29:57, ...15. Zabel (Unna), 41. Klöden (Kreuzlingen/Schweiz), 45. Fothen (Kaarst-Vorst ) alle gl. Zeit.
14. Etappe, Montélimar - Gap (180,5 km): 1. Fedrigo (Fra) 4:14:23 h, 2. Commesso (Ital) gl. Zeit; 3. van de Velde (USA) + 3 s, 4. Moreau (Fra) + 7 s, 5. Totschnig (Öst), 6. Garzelli (Ita) gl. Zeit. ... 16. Fothen, 20. Klöden, 23. Sinkewitz (Künzell), 73. Zabel.

Gesamtwertung nach der 14. Etappe:
1. Pereiro 64:05:04 h, 2. Landis (USA) + 1:29, 3. Dessel (Fra) 1:37; 4. Mentschow (Rus) + 2:30; 5. Evans (Aus) + 2:46 ... 7. Klöden + 3:58, 12. Fothen + 5:46; 14. Sinkewitz + 7:07, 53. Wegmann + 38:18; 58. Voigt + 40:35, 71. Zabel + 49:11.
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